Zusammengetragen von Alexander Rathenau (2001)

 

 

ALLGEMEINER TEIL DES BGB

(wichtige Notizen; geeignet für die Wiederholung des Stoffes)

 

-            Auslegung der WE gem. §§ 133, 157: Handlungswillen; Geschäftswillen und Erklärungsbewusstsein.

-            Invitatio ad offerendum (Aufforderung zum Angebot, kein Rechtsbindungswillen des Verkäufers)

-            Fehlender Rechtsbindungswille bei der Auskunft gem. § 676; anders bei Entgeltlichkeit oder wenn  die Auskunft erkennbar für den Empfänger erhebliche wirtschaftliche Bedeutung hat und der Auskunftgeber sachkundig ist oder ein eigenes wirtschaftliches Interesse verfolgt

 

 

RECHTSBINDUNGSWILLE BEI GEFÄLLIGKEIT

 

a)        Alltägliche Gefälligkeit: Unentgeltlich, kein Rechtsbindungswillen, kein pflichtbezogenes Schuldverhältnis; keine Haftungsbeschränkung bei unerlaubter Handlung oder Gefährdungshaftung (str.) m.M.: Haftungsmilderung analog §§ 521, 599, 690 nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit

b)       Gefälligkeitsverhältnis (bei wirtschaftlicher Bedeutung +): Unentgeltlich, Rechtsbindungswillen, pflichtbezogenes Schuldverhältnis (nur) mit Sorgfaltspflichten*, keine Haftungsbeschränkung (*Grund: Besonders weil der in § 831 Exkulpationsmöglichkeit nicht immer sachgerechte Ergebnisse erzielt werden, vor allem dann nicht, wenn der GH Hilfspersonen eingeschaltet hat, um die Gefälligkeit zu erweisen)

„Ein Vertrag, der den G (GH) verpflichtete, der B einen Fahrer zu überlassen, ist nicht zustande gekommen. G hat deutlich zum Ausdruck gebracht, dass er nicht verpflichtet sein sollte, einen Fahren zu überlassen. Doch auch ohne Begründung einer Leistungspflicht kann ein Schuldverhältnis zwischen den Beteiligten bestehen, wenn die Zusage bzw. Ausübung der Gefälligkeit auf einen Rechtsbindungswillen schließen lässt und damit rechtsgeschäftlichen Charakter hat...- Sorgfaltspflichten auslöst- weil G einen unzuverlässigen Fahrer schickte...“   

c)       Gefälligkeitsvertrag: Unentgeltlich, Rechtbindungswille, pflichtbezogenes Schuldverhältnis mit Leistungspflichten und Sorgfaltspflichten, Haftungsbeschränkung kraft Gesetzes   

 

 

DER VORBEHALT, DAS SCHEIN- UND SCHERZGESCHÄFT GEM. §§ 116 FF.

 

1) § 116, 1 und 2

a)        Der geheime Vorbehalt, das Erklärte nicht zu wollen, ist rechtlich unerheblich, § 116, 1

b)       Nach § 116, 2 ist die Erklärung nichtig, wenn der Empfänger den Vorbehalt kennt. Diese Regelung ist missglückt, denn wenn der Empfänger den Vorbehalt kennt, so erkennt er, dass der Erklärende sich nicht rechtlich bindenden will, und überhaupt keine WE abgibt, da der Rechtsbindungswillen fehlt.

 

2) § 117 I und II

a)        Ein Scheingeschäft liegt vor, wenn die Parteien einverständlich nur den äußeren Schein eines Rechtsgeschäftes hervorrufen, die mit dem Geschäft verbundenen Rechtsfolgen aber nicht eintreten lassen wollen. Es liegen überhaupt keine WE vor, da der Rechtsbindungswillen fehlt, § 117 I (die gesetzliche Anordnung, dass die Scheinerklärung nichtig sein, ist unzutreffend)

b)       Wollen die Parteien zwar nicht das „erklärte Geschäft“, aber ein wirksames anderes Geschäft tätigen, so gilt dieses Rechtsgeschäft selbst dann, wenn es zum Schein falsch bezeichnet wurde. Ein Scheingeschäft gem. § 117 I liegt also nur vor, wenn die Beteiligten mit der Erklärung überhaupt keine Rechtsfolgen auslösen wollen. Soweit die Wirksamkeitsvoraussetzungen des verdeckten Geschäfts vorliegen, ist dieses wirksam zustande gekommen, § 117 II

Auflassungsfall: Notariell beurkundete Vereinbarung ist gem. § 117 I nichtig; Verdecktes Geschäft (mündliche Vereinbarung) aber auch nichtig gem. § 313, 1; 125. Aber mögliche Heilung gem. § 313, 2 bei Eintragung im Grundbuch, so dass die mündliche Vereinbarung wirksam geworden ist.

 

3) § 118 (Mangel an Ernstlichkeit = Scherzgeschäft)

Das Scherzgeschäft ist nichtig, denn es fehlt am inneren Tatbestand der WE, weil der Erklärende keinerlei rechtliche Wirkung auslösen wollte. Das Erklärte ist auch nichtig, wenn die fehlende Ernstlichkeit objektiv nicht erkennbar ist.

 

 

DIE ZURECHNUNG (WILLE= INNERER ERKLÄRUNGSTATBESTAND)

 

Subjektiver Tatbestand einer WE

 

1.        Handlungswillen: Ist der Wille überhaupt etwas zu erklären. Liegt bereits dieser Wille nicht vor, ist keine WE gegeben.

2.        Erklärungsbewusstsein: Ist der Wille ein rechtlich relevantes Handeln vorzunehmen. Fehlt dieser Wille, ist strittig., ob die WE wirksam ist. (Hier PROBLEMATISCH!)

3.        Geschäftswillen: Ist der Wille ein bestimmtes Rechtsgeschäft abzuschließen. Durch das Fehlen des Geschäftswillens wird die Wirksamkeit einer WE nach hM nicht beeinflusst.

 

Fehlen des Erklärungsbewusstseins; PROBLEMATISCH:

 

Umstritten ist, ob das Erklärungsbewusstsein konstitutiver Bestandteil der WE ist. Während die hM ein potentielles* Erklärungsbewusstsein für die Annahme einer WE ausreichen lässt und damit das Erklärungsbewusstsein für nicht konstitutiv hält, fordert eine Mindermeinung ein aktuelles Erklärungsbewusstsein und verneint bei dessen fehlen das Vorliegen einer WE.

 

Ein Potentielles Erklärungsbewusstsein setzt voraus, dass der Erklärende seine Handlung als möglicherweise rechterheblich hätte erkennen können.

 

Die verschiedenen Auffassungen ( potentielles Erklärungsbewusstsein / Aktuelles Erklärungsbewusstsein) führen zu unterschiedlichen Ergebnissen und erfordern eine Abwägung der für und gegen beide Meinungen sprechenden Argumente.

 

Die Mindermeinung argumentiert i.S.d. Willenstheorie mit § 118 BGB: Wenn schon nach § 118 eine bewusst abgegebene Erklärung keine Rechtsfolgen auslöse, sofern sie nicht i.S.d. § 118 ernstlich gemeint ist, dann könne erst recht eine bewusst abgegebene Erklärung ohne aktuelles Erklärungsbewusstsein keine Rechtswirkungen auslösen. Nur diese Ansicht würde der Privatautonomie gerecht werden. Im Fall der Trierer Weinversteigerung liegt demnach keine WE vor, wenn jemand die Hand hebt um einen Freund zu grüßen.

 

Schon die Argumentation mit § 118 ist nicht zwingend und wird von der Gegenmeinung bestritten. Im Sinne der Willenstheorie beruht die Nichtigkeit nach § 118 gerade darauf, dass der Erklärende bewusst die Nichtigkeit seiner Erklärung will. Hat der Erklärende dagegen kein Erklärungsbewusstsein, so fehlt gerade dieser Wille, dass seine WE nichtig sein soll. Gegen die Behandlung des Erklärungsbewusstseins als konstitutives Element einer WE sprechen die Anfechtungsregeln des BGB. Wer sich über den Inhalt seiner Erklärung irrt oder sich verschreibt, vergreift oder verspricht, ist allein zur Anfechtung um den Preis des negativen Interesses nach § 122 BGB berechtigt und wird an seiner WE festgehalten. Nach der Erklärungstheorie kann nur so dem Vertrauen des Rechtsverkehrs und damit dem Vertrauen des Geschäftsgegners Rechnung getragen werden. für den Fall der Trierer Weinversteigerung wird eine WE bejaht.

 

a)       Erklärende wollte überhaupt nicht Handeln, es fehlte der Handlungswille

-            Wurde die WE nicht willensgesteuert (vis absoluta) oder überhaupt nicht abgegeben, liegt keine WE vor.

 

b)       Erklärende wollte zwar eine WE = Angebot abgeben, aber mit einem anderen Inhalt

-            Wenn der geäußerte Erklärungswille und der innere Geschäftswille unbewusst nicht übereinstimmen, so gilt die Erklärung mit dem Inhalt des äußeren Erklärungstatbestandes. Es existiert die Möglichkeit der Anfechtung gem. § 119 I.

 

c)       Erklärende wollte überhaupt keine WE = Angebot abgeben

Es fehlt ihm das Erklärungsbewusstsein, d.h., das Bewusstsein eine rechtsgeschäftliche Erklärung abzugeben. Trierer Weinversteigerungsfall: Es fehlt ihm aber das Erklärungsbewusstsein. Ob trotzdem eine WE vorliegen kann, ist umstritten: aa) m.M: fordert ein aktuelles Erklärungsbewusstsein und verneint bei dessen fehlen das Vorliegen einer WE. Die Mindermeinung argumentiert i.S.d. Willenstheorie mit § 118 BGB: Wenn schon nach § 118 eine bewusst abgegebene Erklärung keine Rechtsfolgen auslöse, sofern sie nicht i.S.d. § 118 ernstlich gemeint ist, dann könne erst recht eine bewusst abgegebene Erklärung ohne aktuelles Erklärungsbewusstsein keine Rechtswirkungen auslösen. Nur diese Ansicht würde der Privatautonomie gerecht werden. Im Fall der Trierer Weinversteigerung liegt demnach keine WE vor, wenn jemand die Hand hebt um einen Freund zu grüßen.

HM: erfordert ein potentielles* Erklärungsbewusstsein für die Annahme einer WE und damit das Erklärungsbewusstsein für nicht konstitutiv hält.

Ein Potentielles Erklärungsbewusstsein setzt voraus, dass der Erklärende seine Handlung als möglicherweise rechterheblich hätte erkennen können.

Schon die Argumentation mit § 118 ist nicht zwingend und wird von der Gegenmeinung bestritten. Im Sinne der Willenstheorie beruht die Nichtigkeit nach § 118 gerade darauf, dass der Erklärende bewusst die Nichtigkeit seiner Erklärung will. Hat der Erklärende dagegen kein Erklärungsbewusstsein, so fehlt gerade dieser Wille, dass seine WE nichtig sein soll. Gegen die Behandlung des Erklärungsbewusstseins als konstitutives Element einer WE sprechen die Anfechtungsregeln des BGB. Wer sich über den Inhalt seiner Erklärung irrt oder sich verschreibt, vergreift oder verspricht, ist allein zur Anfechtung um den Preis des negativen Interesses nach § 122 BGB berechtigt und wird an seiner WE festgehalten. Nach der Erklärungstheorie kann nur so dem Vertrauen des Rechtsverkehrs und damit dem Vertrauen des Geschäftsgegners Rechnung getragen werden. für den Fall der Trierer Weinversteigerung wird eine WE bejaht.

 

d)       Erklärende hat die dem Empfänger zugegangene WE = das Angebot nicht vollständig bzw. überhaupt nicht formuliert.

-            Der erklärende hat eine schriftliche unvollständige WE formuliert und abgegeben mit der Ermächtigung zur Vervollständigung – sog. Blankoerklärung:

Der Erklärende muss sich die vervollständigte Urkunde so gegen sich gelten lassen, wie sie später- wenn auch abredewidrig- vervollständigt worden ist. Fall: Bzgl. der zugegangenen Erklärung hatte K überhaupt keinen Erklärungswillen. Doch K hat dem V die Befugnis zur Vervollständigung bis iHd noch offenstehenden KP eingeräumt. Es ist anerkannt, dass der Aussteller eines Blanketts, der es weitergibt, damit der Empfänger dieses Blanketts vervollständige, eine ihm zurechenbare WE abgegeben hat (entsprechende Anwendung des §§ 164 ff.)  Rechtsschein analog § 172 II, so dass gutgläubige Dritte geschützt werden.  Beachte: Keine Anfechtung, da Rechtsscheinhaftung nicht angefochten werden kann. 

-            Die in Unkenntnis der Unvollständigkeit abgegebene Blankoerklärung

Auch dann kann die Erklärung nach dem Rechtsgedanken aus §§ 170-173 zuzurechnen sein. Danach ist erforderlich, dass dem Empfänger einer vervollständigten WE ein Vertragsangebot zugegangen ist; diese Erklärung dem Erklärenden zugerechnet wird, wenn er die Erklärung willentlich in den Verkehr gebracht hat und damit den Rechtsschein der WE gesetzt hat und der Empfänger muss gutgläubig sein.

-            Die Zurechnung  der WE= des Vertragsangebotes, das von einem Dritten formuliert worden ist

Hat ein Dritter das Vertragsangebot, die WE formuliert, so wird diese Erklärung demjenigen, der als Erklärender erscheint, grundsätzlich nicht zugerechnet. Dies gilt selbst dann, wenn er es durch fahrlässiges Verhalten ermöglicht hat, das die Erklärung in den Verkehr gelangt (allenfalls Haftung aus cic, wenn zB die vorgedruckten Bestellkarten unsorgfältig aufbewahrt wurden)

 

 

WIRKSAMKEIT DES ANGEBOTS

 

a)        Die Abgabe setzt willentliche Entäußerung voraus

Sekretärin -Fall: Sie denkt, die Unterlagen sollen abgeschickt werden: Diese Erklärung ist nicht wirksam geworden, weil der Chef die Erklärung nicht willentlich so in den Verkehr gebracht hat, dass ohne sein weiteres Zutun der Zugang der Erklärung eintreten konnte. Mangels Abgabe ist das Angebot unwirksam. aA: Danach liegt eine Abgabe vor, wenn der Erklärende das in den Verkehrbringen zu vertreten hat.

 

b)       Erklärungsbote kann die Post; Familienmitglieder, Angestellte usw. sein. Der Erklärende gibt das Angebot in den Augenblick ab, in den er die Erklärung dem Boten überreicht. Zugegangen ist das Angebot, wenn es in den Machtbereich des Empfängers gelangt und dieser die Möglichkeit der Kenntnisnahme hatte, d.h., bei Annahme normaler Verhältnisse mit der Kenntnisnahme durch den Empfänger zu rechnen ist. Ist die verkörperte Erklärung dem Vertragspartner, Abschluss- oder Empfangsvertreter ausgehändigt oder wird die mündliche Erklärung diesen Personen ggü vernehmlich geäußert, so ist die Erklärung zugegangen. Empfangsvertreter ist gem. § 164 III derjenige, der im fremden Namen mit Vertretungsmacht die WE entgegennimmt. Er ist selbst Empfänger.

Die Erklärung kann auch unter Einschaltung eines Empfangsboten zugehen: Empfangsbote ist derjenige, der vom Empfänger zur Empfangnahme bestellt ist oder nach der Verkehrsanschauung zur Übermittlung geeignet ist und als ermächtigt gilt: im Haushalt des Empfängers lebenden Personen; Betriebsangehörige.

Beachte: Beim Empfangsvertreter geht die Erklärung dem GH mit der mündlichen Äußerung, der Aushändigung der verkörperten Erklärung oder dem Verbringen in die Empfangsvorrichtung zu. Beim Empfangsboten gelangt das Angebot in den Bereich des Vertragspartners, der Zugang erfolgt erst, wenn dieser die Möglichkeit hatte, seinen GH zu unterrichten – die Möglichkeit der Kenntnisnahme besteht im Regelfall erst später -, so dass das Angebot dann noch nicht sofort zugegangen ist. a.A. Bereits mit Kenntnisnahme durch den Boten, ist die WE nicht mehr widerrufbar vgl. § 130.

 

 

FALSCH VERSTANDENES ANGEBOT

 

Es stellt sich die Frage wer das Risiko des „Missverständnisses“ zu tragen hat.

 

1)       Mit welchem Inhalt geht die falsch verstandene mündliche  Erklärung zu?

-            Fall: Zuvor verhandelten sie über 100 Stück, später rief telefonisch der Käufer an „benötige 200 Stück“, Verkäufer antwortete: „Es gehe in Ordnung“ Später liefert V nur 100 Stück. Anspruch des K gegen V auf Lieferung von weiteren 100 Stück aus § 433 I

Wirksame Einigung über 200 Stück? Angebot= WE zugegangen? Bei der fernmündlichen Erklärung handelt es sich um eine Erklärung unter Anwesenden, § 147 I 2. Die Abgabe und der Zugang von empfangsbedürftigen WE unter Anwesenden ist gesetzlich nicht geregelt. Es gilt jedoch das Gleiche wie bei der Erklärung unter Abwesenden. Für die nicht verkörperte WE – die mündliche Erklärung oder Geste – gilt die Vernehmungstheorie: Nur dann, wenn die Erklärung vernommen worden ist, gelangt sie in den Machtbereich des Empfängers. Nach hA ist aber nicht entscheidend, dass der Empfänger die Erklärung inhaltlich richtig verstanden, sondern akustisch vernommen hat, so das der Erklärende damit rechnen konnte, dass der Empfänger seine Erklärung richtig verstanden hat. V  hat deutlich erklärt, er wolle 200 Stück erwerben. Daher ist ein Angebot über 200 Stück zugegangen, da dieses Angebot mit dem Satz „es gehe alles in Ordnung“ einschränkungslos angenommen wurde. Da bereits 100 Stück geliefert worden sind, ist der Anspruch durch § 362 erloschen. Es besteht noch ein Anspruch auf weitere 100 Stück.

Beachte: Der Verkäufer kann, weil er sich bei der Abgabe der Erklärung über den Inhalt geirrt hat, die WE anfechten, § 119 I. Allerdings ist er gem. § 122 zum Schadensersatz verpflichtet. (Wären die ersten 100 Stück noch nicht erfüllt geworden, dann würde sich die Anfechtung des V nur auf die anderen 100 Stück beziehen, vgl. Möglichkeit der Teilnichtigkeit gem. § 139).

 

2)       Der Überbringungsbote übermittelt versehentlich oder wissentlich eine andere als die ihm aufgetragene Erklärung

Fall: Vater besitzt ein Miethaus, das ein Defekt am Dach hat. Er schickt sein 17 jährigen Sohn S zu U (Unternehmer) um ihn mitzuteilen, dass U das Dach reparieren solle. S verliert unterwegs den Brief und erklärt dem U, er solle das Dach erneuern. Später verlangt U die Kosten der Erneuerungsarbeiten von V.

U gegen V aus §§ 631, 632:  V hat die Erklärung das Dach zu erneuern nicht abgegeben. Es war S als Erklärungsbote. Es gilt in diesen Fällen folgendes:

a)        Überbringt der Bote versehentlich eine andere Erklärung, als ihm aufgetragen worden ist, so wirkt die Erklärung für und gegen den Erklärenden. Aus § 120 ergibt sich, dass der Erklärende das Übermittlungsrisiko trägt. Doch wird dem GH ein Anfechtungsrecht zugebilligt.

b)       Überbringt der Bote wissentlich eine andere Erklärung, als ihm aufgetragen wurde, so gibt er eine eigene ab, die nicht für und gegen den GH wirkt. Es gelten in diesen Fall analog die Regeln des Vertreters ohne Vertretungsmacht gem. §§ 117 ff. mit der Wirkung, dass der GH die WE genehmigen  kann. Für den Fall der Verweigerung der Genehmigung haftet der Bote nach § 179.

In casu ist der V (GH) am von S abgegebenen Vertragsangebot gebunden. Doch kann V die von S überbrachte WE gem. § 120 anfechten. Nach fristgerechter Anfechtung gilt: Die WE ist gem. § 142 nichtig. V muss gem. § 122 dem U den Schaden ersetzen, den er dadurch erlitten hat, dass er auf die Gültigkeit der Erklärung vertraut hatte.

U kann ferner gem. §§ 812, 818 II einen Ausgleich für seine geleistete Tätigkeit verlangen. Doch muss V den Wert der Arbeiten nur insoweit ersetzen, als er noch bereichert ist, § 818 III.    

 

3)       Der Empfangsvertreter bzw. Bote übermittelt eine andere Erklärung

Die falsche Übermittlung des Angebots durch den Empfangsvertreter muss sich der GH zurechnen lassen, wenn der Vertreter ermächtigt war.

 

 

DER WIDERRUF DES ANGEBOTS, § 130 I 2

 

Fall: V verhandelt mit K und legt das unterschriebene Angebot auf den Tisch seiner Sekretärin. Bald darauf telefoniert er mit K und es kommt zu Unstimmigkeiten. Daraufhin ordnet V an, den Brief nicht abzusenden. Die Sekretärin tut dies aber versehentlich.

Anspruch K gegen V aus § 433 I: V hat ein hinreichend bestimmtes Angebot, das Kaufgegenstand und Kaufpreis enthielt, formuliert. Dieses Angebot war nur wirksam, wenn V es abgegeben und den Zugang bewirkt hat, § 130. Mit der Aushändigung des Briefes an die Sekretärin hat V zum Ausdruck gebracht, dass er sich endgültig entschieden hat, dem K dieses Angebot zu machen. Damit liegt eine wirksame Abgabe des Angebots vor. Doch K hat sein Angebot gegenüber der Sekretärin widerrufen. Dieser Widerruf ist aber nur wirksam, wenn er vor oder gleichzeitig mit dem Zugang des Angebots beim Empfänger zugegangen ist, § 130 I 2. Dies ist in casu nicht geschehen. Der KV ist wirksam zustande gekommen. Dem V steht kein Anfechtungsrecht zu: Eine Anfechtung gem. § 119 I scheitert, weil er im Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung das, was er mit der Erklärung zum Ausdruck bringen wollte, auch wirklich erklärt hat. Auch eine Anfechtung gem. § 120 scheidet aus, weil das Angebot nach der Abgabe nicht unrichtig übermittelt worden ist. Es ist am Angebot des V keine inhaltliche Änderung vorgenommen worden. Auch eine analoge Anwendung der §§ 119 I, 120 scheitert, weil keine Regelungslücke besteht. § 130 ist eindeutig. K kann Lieferung der Sachen verlangen.

 

Abwandlung: Der Brief des V wird um 8:30 aus dem Briefkasten des K abgeholt. Um 9:00 ruft V an und teilt dem K mit, dass er das Angebot nicht abgeben wollte. K hatte den Brief noch nicht gelesen. K liest später dem Brief und besteht auf das Zustandekommen des Vertrages.

Der Brief ist mit der Einordnung in das Postfach zugegangen, da er in den Machtbereich des K gelangt ist und K die Möglichkeit der Kenntnisnahme erlangt hat. Als V den Widerruf erklärte, war der Brief bereits zugegangen, s.o.

Die Tatsache, dass K den Brief noch nicht gelesen hatte und noch keine Maßnahmen ergriffen hatte, ändert daran nichts! Der § 130 I 2 enthält einen eindeutigen Wortlaut: Die WE wird nicht wirksam, wenn dem Empfänger vorher oder gleichzeitig ein Widerruf zugeht. Es ist also allein auf den Zeitpunkt des Zugangs (Machtbereich und Möglichkeit der Kenntnisnahme) und nicht auf den der tatsächlichen Kenntnisnahme abzustellen.

Der Empfänger kann aber den verspäteten Widerruf gelten lassen, da dies dem Willen des Absenders entspricht.

 

 

DIE FRISTGERECHTE ANNHAME DES ANGEBOTS

 

a)       Die vereinbarte Frist gem. § 148

Der Anbietende kann im Angebot – einseitig - bestimmen, innerhalb welcher Frist die Annahme erfolgen muss. Er kann den Fristbeginn regeln und bestimmen, ob für die Einhaltung der Frist die Abgabe der Annahmeerklärung ausreichend ist oder der Zugang der Annahmeerklärung (Machtbereich und Möglichkeit der Kenntnisnahme) für die Fristbewahrung maßgebend ist.

1)       Der Anbietende Kann  die Frist nach seinem Belieben bestimmen. Eine zu kurz bemessene Frist setzt keine angemessene Frist in Lauf.

2)       Ist zur Fristbewahrung der Zugang der Annahmeerklärung maßgebend, so gilt:

-            Wird die Erklärung innerhalb der Frist dem Vertragspartner oder dessen Vertreter ggü mündlich abgegeben oder schriftlich ausgehändigt, so tritt damit der fristgerechte Zugang ein.

-            Wird die Annahme ggü dem Empfangsboten mündlich erklärt oder diesem die schriftliche Annahmeerklärung ausgehändigt, so geht die Erklärung nach hM erst dann zu, wenn – wie auch sonst bei der Empfangsvorrichtung – nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge mit der Übermittlung an den Vertragspartner zu rechnen ist. Der Empfangsbote ist die „personifizierte Empfangsvorrichtung“ des Empfängers.  

 

b)       Der gesetzlich geregelte Zugang, § 147

Das Angebot unter Anwesenden kann nur sofort angenommen werden, § 147 I (auch schuldlose Verzögerung schadet). Der einem Abwesenden gemachte Antrag kann nur bis zu dem Zeitpunkt angenommen werden, in welchem der Antragende den Eingang der Antwort unter regelmäßigen Umständen erwarten darf, § 147 II. Zur Fristbewahrung ist der Zugang der Annahmeerklärung erforderlich.

Beachte: Die Erklärung ggü dem Abschluss- oder Empfangsvertreter ist eine Erklärung unter Anwesenden; die Erklärung ggü dem Empfangsboten ist eine Erklärung unter Abwesenden.

 

c)       Die Verspätet zugegangene, aber rechtzeitig abgesandte Annahmeerklärung

Nach § 149 muss der Antragende (der das Angebot erteilt hat) dem Annehmenden, der die Annahmeerklärung rechtzeitig abgesandt hat (Poststempel!), den verspäteten Zugang anzeigen. Anderenfalls gilt die Annahme als nicht verspätet. (Annahmeerklärung wäre rechtszeitig zugegangen, wenn die Post nicht geschlampt hätte).

 

 

d)       Die verspätete abgesandte Annahmeerklärung gilt gem. § 150 I als neuer Antrag (neues Angebot)

  

e)       Die modifizierte „Annahme“: Wird ein Angebot in abgeänderter Form angenommen, so gilt § 150 II: Die „Annahme“ gilt als Ablehnung des Angebotes verbunden mit einem neuen Angebot. Das neue Angebot muss seinerseits angenommen werden.

Erklärt der Empfänger hingegen, dass er nur einen Teil der angebotenen Leistung annehme, so ist vor der Anwendung des § 150 II zu prüfen, ob nicht die Auslegung ergibt, dass ein Vertrag über die angenommene Teilleistung zustande gekommen ist. „Wenn V für das Lager einen Gesamtpreis verlangt hat oder erkennbar war, dass er dem K nur ein Angebot gemacht hat, um nicht mit einer Vielzahl von Verkäufern verhandeln zu müssen, kommt § 150 II zur Anwendung“

 

f)         Das Wirksamwerden der Annahmeerklärung ohne Zugang, § 151

Es ist eine eindeutige nach außen erkennbare Willensbetätigung erforderlich, die den Abschluss auf einen Annahmewillen zulässt. Entscheidend ist, ob vom Standpunkt des unbeteiligten Dritten aus dem Verhalten des Empfängers aufgrund aller äußeren Indizien der Annahmewille erkennbar ist.

Der Zugang der Annahmeerklärung ist gem. § 151 entbehrlich, wenn der Antragende darauf verzichtet oder nach der Verkehrssitte nicht mit dem Zugang der Annahmeerklärung zu rechnen ist.

 

(1)    Wer die ihm zugesandten Waren in Gebrauch nimmt und zweckgerichtet verwendet, bringt konkludent zum Ausdruck, dass er das mit dem Zusenden der Ware gemachte Kauf- und Übereignungsangebot annehmen will. Auf den Zugang der Annahmeerklärung hat der Versender verzichtet. Daher kommt mit der Verwendung der Ware der Kaufvertrag gem. § 433 und die für die Eigentumsübertragung gem. § 929, 1 erforderliche Einigung zustande.

 

(2)    Wer bei einem Versandgeschäft eine Bestellung aufgibt, erwartet nicht, dass er von der Annahme seines Angebots besonders unterrichtet wird. Bringt der Inhaber des Versandgeschäfts die Ware zum Versand, so betätigt er damit seinen Annahmewillen.

-            Daher kommt der KV bereits mit dem Versenden der Ware zustande.

-            Zugleich mit der Annahme des Kaufangebots macht der Inhaber des Versandgeschäftes auch ein Angebot zum Abschluss eines dinglichen Geschäfts, durch den der Besteller Eigentümer der Ware gem. § 929 wird. Mit der Entgegennahme der Ware und ihrer Billigung nimmt der Besteller dieses Einigungsangebot an. Der Inhaber des Versandgeschäftes hat auf den Zugang dieser Annahmeerklärung verzichtet.

 

(3)    Wer ein Hotelzimmer bestellt, erwartet nicht, dass ihm die Annahme seines Angebots mitgeteilt wird. Mit der Reservierung des Zimmers bringt der Hotelier seinen Annahmewillen zum Ausdruck und es kommt ein Beherbergungsvertrag zustande.

 

(4)    Umstritten ist, ob derjenige, dem zur Tilgung einer umstrittenen Schuld mit dem Angebot auf einen Teilerlass ein Scheck übersandt wird, mit der Einlösung des Schecks das Angebot zum vollen Schuldenerlass annimmt. I.d.R. ist es für den Gläubiger  erkennbar, dass durch die Einlösung die Begrenzung der Schuld auf den im Scheck genannten Betrag erfolgen sollte.

 

 

DIE VERHINDERUNG DES ZUGANGS

 

1)       Die Annahmeverweigerung

 

a)       Die unberechtigte Annahmeverweigerung durch den Empfänger oder dessen Vertreter

Ist die schriftliche Erklärung dem Empfänger oder dessen Vertreter ordnungsgemäß angeboten worden – hinreichend frankiert, deutlich lesbar- oder die mündliche Erklärung eindeutig vernehmbar geäußert worden, so gilt die Erklärung nach § 162 nach hA als zugegangen (Zugangsfiktion), wenn die Annahme oder Vernehmung verweigert wird. (weist Brief zurück oder hält die Ohren zu).

 

b)       Verweigert der Empfangsbote die Entgegennahme der Annahme ohne Anordnung des Empfängers oder dessen Vertreters, so greift die Zugangsfiktion nicht ein. Der Annehmende muss notfalls unter Einschaltung eines Gerichtsvollziehers gem. § 132 den Zugang bewirken.

 

In anderen Fällen der Annahmeverweigerung kann nach § 242 eine Erklärung als rechtzeitig zugegangen angesehen werden.

-            Grundsätzlich besteht keine Verpflichtung Vorkehrungen für den Zugang von Erklärungen zu treffen. Der Erklärende ist ggf. auf die Möglichkeit des § 132 angewiesen. Von diesem Grundsatz gibt es aber Ausnahmen, in denen eine Obliegenheit, den Zugang zu ermöglichen, besteht, so zB bei anbahnten oder bestehenden Geschäftsverbindungen; nach vorhergehender Ankündigung; beim Kaufmann; bei Geschäfts- oder Betriebsverlegung.

-            Der Erklärende muss alles Erforderliche und Zumutbare für einen ordnungsgemäßen und rechtzeitigen Zugang getan haben. Das Schreiben muss ausreichend frankiert sein, gut lesbar usw. Wird für den Erklärenden erkennbar, dass seine Erklärung den Empfänger nicht erreicht hat, so muss er sich, soweit möglich und zumutbar, nach dem Grund erkundigen und seine Erklärung ggf. wiederholen.

Einen verspäteten Zugang muss der Erklärungsempfänger dann nach Treu und Glauben gegen sich gelten lassen, d.h., der Absendende kann trotz Fristablauf noch rechtzeitig Widerrufen (§ 130).

 

 

DER TOD ODER DIE GESCHÄFTSUNFÄHIGKEIT DES ANBIETENDEN

 

Das Angebot bleibt gem. § 130 II wirksam und mit der Annahme kommt der Vertrag zustande, es sei denn, es ist ein anderer Wille des Antragenden anzunehmen.

Fall: A bestellt bei V einen Anzug. Einen Tag später verstirbt A. Die Alleinerbin Frau A, die davon nicht wusste, verweigert Abnahme und Bezahlung. Rechtslage?

Frau A hat selbst kein Angebot gemacht, doch tritt sie in die Rechtsstellung des A ein (§§ 1922, 1967), so dass ein von A abgegebenes Angebot auch gegen Frau A wirkt. WE des A bleibt gem. § 130 II wirksam. Das Versandshaus hat durch das Absenden des Anzuges das Angebot des A angenommen, doch müsste noch ein annahmefähiges Angebot des A vorgelegt haben. Nach § 153 steht der Tod das A der Annahmefähigkeit seines Angebots grds. nicht entgegen. Jedoch kommt ein Vertrag dann nicht zustande, wenn „ein anderer Wille anzunehmen ist“. Dies ist der Fall für eine Bestellung für den persönlichen Bedarf. Da es sich bei einem Anzug um eine solche Sache handelt, lag somit kein annahmefähiges Angebot vor, und es ist kein Vertrag zustande gekommen.

V könnte gegen Frau A einen Anspruch auf Ersatz der Kosten haben.

(1)    Ein solcher wird teilweise gem. § 122 analog angenommen. Der Verstorbene hat zwar die uneingeschränkte Geltung des Rechtsgeschäftes erklärt, doch werde durch § 153 der hypothetische Wille des verstorbenen berücksichtigt und der erklärte Wille beseitigt. Dies rechtfertige eine Analogie zu der Rechtslage nach der wirksamen Anfechtung.

(2)    Überwiegend wird jedoch eine analoge Anwendung des § 122 abgelehnt.  

Die Frage, ob „ein anderer Wille des Antragenden erkennbar ist“, ist durch Auslegung des Angebots zu ermitteln. Nach den Regeln der Auslegung der empfangsbedürftigen WE muss der hypothetische Wille dem Erklärungsgegner somit erkennbar sein. § 153 verwirklicht nur den erklärten Willen des Verstorbenen. Eine „Willensänderung“ nach dem Tod des Erklärenden liegt im Risikobereich des Erklärungsempfängers.

 

 

AUSLEGUNG VON WE

 

Es gelten die §§ 133, 157:

a)        Wird der wahre Wille erkannt, so gilt das in Wahrheit Gewollte auch dann, wenn die Erklärung etwas anderes besagt, wenn also eine Falschbezeichnung vorliegt.

b)       Wird der wahre Wille nicht erkannt, so wird die wirksam gewordene Vertragserklärung mit dem Inhalt wirksam, wie sie von einem objektiven  sorgfältigen Empfänger verstanden werden durfte (Empfängerhorizont)

Beachte: Dies bedeutet, dass der Erklärende das Risiko trägt nicht richtig verstanden worden zu sein. Es kann ein Vertrag mit dem Inhalt zustande kommen, den von keiner Partei gewollte wurde.

Vorgehensweise in der Klausur:

(1)    Feststellung, ob der wahre – innere Wille – nicht erkannt worden ist

(2)    Bestimmung der Auslegungsmöglichkeiten

(3)    Ermittlung, welche der in Betracht kommenden Möglichkeiten hier nach der Erklärung gewollt ist. Dabei gilt: Wortlaut der Erklärung; es sind die Beweggründe und Begleitumstände zu berücksichtigen; Zweck des Rechtsgeschäfts; Interessenlage; Treu und Glauben; Verkehrssitte.

 

Auslegung des Vertrages gem. §§ 157, 242

 

(1)    Sog. erläuternde Vertragsauslegung, wenn etwas missverständlich ist

(2)    Sog. ergänzende Vertragsauslegung, wenn eine „Vertragslücke“ besteht und unter Berücksichtigung des hypothetischen Willens der Vertragspartner eine solche Auslegung vorgenommen werden kann.

(3)    Kann die Vertragslücke nicht durch die ergänzende Auslegung geschlossen werden, so können dispositive Vorschriften eingreifen.

Eine Vertragslücke ist immer dann gegeben, wenn vernünftige Parteien bzgl. des offengebliebenen Punktes eine Regelung getroffen hätten.  

 

 

Die erkannte Falschbezeichnung – falsa demonstratio non nocet - = schadet nicht

 

Wird der wahre Wille erkannt, der innere Geschäftswille erkannt, so wird die WE entsprechend dem erkannten Geschäftswillen wirksam, auch wenn die äußere Erklärung etwas anderes abweichendes besagt.

 

 

DISSENS: Die Nichtübereinstimmung der Vertragserklärungen =

 

Haben die Parteien keine Einigung über einen Vertragsbestandteil erzielt, über den nach dem Willen auch nur einer Partei eine Einigung gewollt war, so liegt:

a)        ein offener Dissens gem. § 154 vor, wenn die mangelnde Einigung den Parteien bekannt ist

b)       ein versteckter Dissens gem. § 155 vor, wenn der Einigungsmangel den Parteien unbekannt geblieben ist.

 

a)       Der offene Dissens gem. § 154

 

-            Die Vorschrift des § 154 greift immer dann ein, wenn die Parteien sich über die Hauptleistungspflichten geeinigt haben und eine Partei oder beide Parteien eine zusätzliche Abrede über einzelne Vertragspunkte erstrebt bzw. erstreben. § 154 ist eine Auslegungsregel und besagt im Umkehrschluss, das die Parteien trotz bewusst lückenhafter Vereinbarung bei entsprechendem Bindungswillen eine Einigung erzielen können.  (Beachte: Besteht eine Lücke, ist aber ersichtlich, dass der Vertragspartner, der noch eine zusätzliche Abrede verfolgt, an dem Vertrag trotzdem festhalten will (Umkehrschluss aus § 154) , ist im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu ermitteln, wie diese Lücke zu schließen ist, damit der Vertrag ordnungsgemäß abgewickelt wird! zB: „...zu ermitteln, ob und in welcher Höhe der Vertragspartner die Kosten für die Instandsetzung der Ledersitze zu tragen hat...“)

-             Umstritten ist, ob die Vorschrift des § 254 auch dann anzuwenden ist, wenn die Parteien zwar eine vertragliche Bindung wollen, aber keine Einigung über wesentliche Vertragsbestandteile (sog. essentialia negotii) des Vertrages erzielen.

Fall: Kaufvertrag ohne Kaufpreisabrede

(1)    Wenn die Parteien keine Wertmaßstäbe angegeben haben, dies es ermöglichen, die Höhe des Kaufpreises zu bestimmen (etwa nach §§ 315 ff.) kommt der Vertrag grds. Wegen der mangelnden Einigung über eine Hauptpflicht nicht zustande.

(2)    Die Vorschriften des Dienst-, Werk-, und Maklervertrages (§§ 612, 632, 653), wonach der Vertrag auch dann zustande kommt, wenn eine Vereinbarung über die Höhe der Gegenleistung fehlt, können dann nicht entsprechend angewandt werden, wenn –wie hier- die Höhe des Kaufpreises nicht unter Heranziehung allgemeiner anerkannter Wertmaßstäbe bestimmt werden kann.

-            Doch die Parteien wollten bereits vor der Bestimmung der Höhe des Kaufpreises eine vertragliche Bindung, daher könnte gem. § 154 der Vertrag trotz fehlender Einigung über die Höhe des Kaufpreises zustande gekommen sein.

-            Haben sich die Parteien aber nicht einmal über die sog. essentialia negotii geeinigt, so kommt nach hM ein Vertrag „auf keinen Fall“ zustande.

Bemerkung: Möglicherweise muss derjenige, der die Vertragsverhandlungen abgebrochen hat (und so kein Konsens über den KP zustande kam) nach cic Schadensersatz leisten, da ein vorvertragliches Schuldverhältnis begründet worden ist.

 

-            AGB: Wenn die wirksam gewordenen AGB der Parteien einander widersprechende Regelungen bzgl. einzelner bestimmter Vertragsbestandteile enthalten, dann ist davon auszugehen, dass die Parteien bzgl. dieser Punkte eine Einigung nicht zwingend wollen. Die Geltung dieser Regelungen sollten nicht den ganzen Vertrag in Frage stellen, so dass der Vertrag trotzdem wirksam ist. Nur die einander widersprechenden Klauseln sind ungültig. Anstelle dieser treten gesetzliche Vorschriften, oder es finden, falls ein hypothetischer Wille der Parteien erkennbar war, die Regeln der ergänzenden Vertragsauslegung Anwendung.

 

b)       Der versteckte Dissens gem. § 155

 

Ein versteckter Dissens liegt vor, wenn die Parteien von einer Einigung über die Vertragsbestandteile ausgehen, diese Einigung aber in Wirklichkeit nicht erzielt worden ist. Das kann darauf beruhen, dass: 

-            Die Einigung unbewusst unvollständig geblieben ist oder

-            Ein Scheinkonsens gegeben ist, weil objektiv mehrdeutige Erklärungen unterschiedlich verstanden werden.

 

Ein verdeckter Konsens ist also nur dann gegeben, wenn die Auslegung weder eine Übereinstimmung des wirklichen Willens der Partner (subjektiv) noch eine Übereinstimmung des Erklärungswertes (objektiv) von Angebot und Annahme ergibt.

 

Der verdeckte Dissens hat zur Folge, dass das Vereinbarte nur gültig ist, wenn anzunehmen ist, dass der Vertrag auch ohne die offengebliebenen Punkte abgeschlossen worden wäre.

 

-            Ein versteckter Dissens gem. § 155 liegt vor, wenn ein regelungsbedürftiger Punkt vergessen oder übersehen worden ist. Beachte: § 155 ist schon dann gegeben, wenn nur eine Partei den Vertrag irrtümlich für geschlossen hält, die andere Partei aber vom Einigungsmangel weiß (sog. einseitiger versteckter Dissens)

-            Ein Erklärungsdissens liegt vor, wenn die Parteien den Vertragschluss durch Angebot und Annahme erstreben und die Erklärungen nicht deckungsgleich sind.

Bemerkung: Derjenige der den versteckten Dissens verursacht hat, ist wegen cic zum Ersatz des negativen Schadens verpflichtet (str.)

I.d.R. kann im Wege der Vertragsauslegung ein eindeutiger Sinn des Angebots bzw. der Annahmeerklärung ermittelt werden, dann gelten für das Zustandekommen des Vertrages die Regeln der §§ 145-151 und nicht § 155. Daher hat der Erklärungsdissens wenig praktische Bedeutung.

-            Ein Scheinkonsens liegt  vor, wenn die Parteien vom Zustandekommen des Vertrages ausgehen. Doch stellt sich später heraus, dass das Vereinbarte objektiv mehrdeutig ist und sich im Wege der Auslegung der Erklärungen kein eindeutigen Sinn ermitteln lässt.

 

Beachte: Allein der Umstand, dass die Parteien das Vereinbarte – den eindeutigen Vertragsinhalt – unterschiedlich interpretieren, also jede Partei den Vertragsinhalt anders als die andere Partei versteht, hat keinen Dissens zu Folge. Durch die Vertragsauslegung ist ein Vertrag über dem „klaren“ Inhalt zustande gekommen. Erster Schritt: Vertragsauslegung; Zweiter Schritt: Dissens??

 

 

DAS ZUSTANDEKOMMEN DER EINIGUNG OHNE ANGEBOT UND ANNAHME

 

a)        ist von einem Dritten ein Vertragsentwurf gefertigt und von den Parteien unterschrieben worden, dann ist die Einigung über den Vertragsinhalt erzielt worden, und der Vertrag ist zustande gekommen, obwohl nicht festgestellt werden konnte, wer das Angebot bzw. die Annahme erklärt hat (zB beim Notar)

b)       Haben die Parteien im Wege der Verhandlung über einzelne Vertragsbestandteile eine Einigung erzielt und wird nach Beendigung der Verhandlungen das Ergebnis – im Regelfall schriftlich- zusammengefasst, dann kommt ein Vertrag zustande. Es bedarf nicht der Feststellung, wer das Angebot gemacht und die Annahme erklärt hat.

 

Der Vertragsschluss durch „sonstiges Verhalten“

 

a)       Der Vertragsschluss durch Vollzug

Auch wenn die Parteien sich noch nicht über die notwendigen Vertragspunkte geeinigt haben und der Vertrag scheinbar erkennbar ohne nicht Einigung über diese Punkte zustande kommen sollte (vgl. § 154), so kann der Vertrag dennoch durch den Vollzug zustande gekommen sein.

„§ 154 steht dem nicht entgegen, denn diese Vorschrift enthält lediglich eine Auslegungsregel. Danach ist der Vertrag nur im Zweifel nicht geschlossen. Die Vorschrift greift nicht ein, wenn sich die Parteien trotz des offen gelassenen Punktes erkennbar vertraglich binden wollen. Ein solcher Wille ist dann anzunehmen, wenn beide Parteien im beiderseitigen Einvernehmen mit der Durchführung des unvollständigen Vertrages beginnen. Dann ist eine Einigung über die wesentlichen Vertragsbestandteile durch schlüssiges Verhalten erzielt worden“.

 

b)       Der Vertrag bei Inanspruchnahme von Leistungen im Rahmen der Daseinsvorsorge

Werden im Rahmen der Daseinsvorsorge, nicht aushandelbare Bedingungen angeboten und wird die Leistung tatsächlich entgegengenommen, so kommt der Vertrag auch dann zustande, wenn der Abnehmende die für die Leistung geforderte Gegenleistung nicht erbringen will. ZB: parken, aber nicht die Gebühren zahlen wollen, mit dem Argument, er sei an dem Vertragsschluss nicht interessiert.

Umstritten ist die Begründung für das Zustandekommen des Vertrages:

(1)         Lehre vom sozialtypischen Verhalten: Vertrag kommt durch die tatsächliche Innanspruchnahme der Leistung zustande. Der „Bezieher“ der Leistung wird aufgrund der tatsächlichen Innanspruchnahme auch dann zur Gegenleistung verpflichtet, wenn er zum Ausdruck bringt, dass er dieses nicht will.

(2)         Überwiegend in der Lit. und neuen Rspr. wird hingegen die Auffassung vertreten, dass keine Notwendigkeit bestehe, einen Vertragsschluss durch sozialtypisches Verhalten anzunehmen, weil ohnehin in diesen Fällen regelmäßig ein Vertrag zustande komme. Das Bereitstellen der Leistung sei als konkludentes Vertragsangebot zu verstehen, und die Innanspruchnahme der Leistung sei eine konkludente Annahme des Angebots.

 

c)       Die Fortsetzung des beendeten Vertrages

Wird ein Dauerschuldverhältnis, das durch Zeitablauf oder Kündigung beendet worden ist, von den Parteien fortgesetzt, so bleibt der Vertrag im Regelfall bestehen. Bei Mietvertragsrecht siehe § 568; bei Dienstvertragsrecht siehe  § 625; auch beim Stromlieferungsvertrag besteht trotz Beendigung ein Vertraglicher Anspruch (Sonderabnahmevertrag) des Unternehmens auf Zahlung (nicht nach § 812!).

d)       Das Zustandekommen durch Schweigen

Schweigen hat idR keinen Erklärungswert. Auch dann nicht, wenn der Anbietende um Antwort bittet oder erwartet, dass sein Partner für den Fall der Nichtannahme des Angebots antwortet, enthält das Schweigen keine Annahmeerklärung.

Fall: Verlag schickt Buch zu A, mit der Erklärung, dass A binnen 10 Tagen mitteilen solle, ob er das Buch annehme oder nicht. A legt das Buch zur Seite und unternimmt nichts. V hat mit der Zusendung der Ware auf den Zugang der Annahmeerklärung verzichtet. Dies bedeutet, dass gem. § 151 ein KV schon dann zustande gekommen ist, wenn das Verhalten des K als Annahme zu verstehen ist. Das Schweigen hatte aber keinen Erklärungswert. Im übrigen bestand auch keine Rechtspflicht auf das Angebot des V zu antworten.

 

Ausnahmen, in denen dem Schweigen ein Erklärungswert zukommt:

 

aa)  Ausdrücklich oder konkludent vereinbart worden

Zu beachten sind die Fälle, in denen die Parteien konkludent vereinbaren, dass das Schweigen, als Annahme gelten soll. Dies liegt vor, wenn das Schweigen nach den Gesamtumständen den sicheren Schluss auf den Annahmewillen also auf einen bestimmten Geschäftswillen zulässt. In den Fällen, in denen der Zugang der Annahmeerklärung erwartet wird, kann Schweigen nicht, als Annahmeerklärung gewertet werden.

 

bb)  Kraft Gesetzes als WE gilt

Sog. normatives Schweigen. Das Schweigen gilt als Annahmeerklärung in Folgenden Fällen: § 362 I HGB; § 5 III PflichtversicherungsG; § 516 II BGB (bzgl. des Schenkungsvertrages)

In Einzelfällen gilt das Schweigen als Genehmigung vgl. § 416 I 2 BGB; §§ 75 h, 91 a HGB. Schließlich wird in einzelnen Fällen das Schweigen als Ablehnung einer Genehmigung gewertet vgl. §§ 108 II 2, 177 II 2, 415 II 2.

 

cc) kaufmännischen Bestätigungsschreiben

Personen, die in erheblichem Umfang wirtschaftlich tätig sind und eine Vielzahl von Verträgen abschließen, begnügen sich häufig damit – in mündlichen, telefonischen- Verhandlungen die wesentlichen Vertragspunkte festzulegen und im Anschluss daran den Vertragsinhalt im einzelnen schriftlich zu bestätigen. Der Empfänger eines Bestätigungsschreibens ist gem. §§ 157, 242 verpflichtet, unverzüglich zu widersprechen, wenn er verhindern will, dass der Vertrag mit dem Inhalt des Bestätigungsschreibens zustande kommt. Der Bestätigende darf dem Schweigen entnehmen, dass der Empfänger mit dem Vertragsschluss einverstanden ist.

Voraussetzungen:

(1)    Parteien müssen Kaufleute i.S.d. HGB sein oder zumindest wie Kaufleute in größerem Umfang am Wirtschaftsleben teilnehmen.

(2)    Die Parteien oder deren Vertreter müssen Vertragsverhandlungen geführt haben. Es genügt, dass die Verhandlungen von einem nicht vertretungsberechtigten Vertreter geführt wurden. Im Regelfall muss es sich um mündliche Verhandlungen handeln, denn nur dann besteht das Bedürfnis nach Klarstellung.

(3)    Es muss der Vertragsschluss bestätigt werden. Nach dem Inhalt des Schreibens muss der Bestätigende vom bereits abgeschlossenen Vertrag ausgegangenen sein.

-            Das Schreiben muss den wesentlichen Inhalt des Vertrages wiedergeben, darf jedoch die in den vorangegangenen Vertragsverhandlungen getroffene Regelung ergänzen und um die Vertragspunkte erweitern, die vernünftige Parteien zur ordnungsgemäßen Abwicklung des Vertrages vereinbart hätten und mit deren Billigung der Bestätigende rechnen darf.

-            Wenn absichtlich etwas Falsches bestätigt wird oder die Vertragsabsprachen derart erweitert werden, dass der Bestätigende nicht mit der Billigung rechnen kann, so treten die Wirkungen des Bestätigungsschreibens nicht ein. 

(4)    Das Bestätigungsschreiben muss dem Partner alsbald, d.h., im engen zeitlichen Zusammenhang mit den Verhandlungen zugegangen sein, und der Empfänger darf nicht Widerspruch erhoben haben. Es ist nur ein unverzüglicher Widerspruch beachtlich.

-            Rechtsfolgen bei nicht erhobenen Widerspruch: War der Vertrag anlässlich der Verhandlungen bereits geschlossen und wird er durch das Bestätigungsschreiben inhaltlich verändert, so hat das Bestätigungsschreiben Änderungswirkung: Der Vertrag kommt mit dem erweiterten Inhalt zustande.

-            War anlässlich der Verhandlungen noch kein Vertrag abgeschlossen worden, dann kommt der Vertrag mit dem Inhalt des Bestätigungsschreibens zustande – Begründungswirkung.  

 

Beachte: Anfechtungsrecht des Empfängers bei unterlassenem Widerruf?

(a)     Wenn E geltend macht, nicht gewusst zu haben, dass sein Schweigen den Vertrag zustande bringt, dann hat er lediglich über die Rechtsfolgen seines Schweigens geirrt und eine Anfechtung nach § 119 I kommt nicht in Betracht.

(b)    Wenn K in Kenntnis der Bedeutung des Schweigens von einer Gegenerklärung abgesehen  und den Inhalt des Bestätigungsschreibens missverstanden, sich also über einzelne Vertragspunkte geirrt hat, dann ist der TB des § 119 I erfüllt.  

 

Bemerkung: Geht der Bestätigende nach dem Inhalt des Schreibens noch nicht vom Vertragsschluss aus, so dass er mit seiner Auftragsbestätigung“ lediglich ein Angebot zum Abschluss eines Vertrages macht, muss dieses Angebot noch angenommen werden. Wenn der Empfänger in diesen Fall die Annahme nicht erklärt, ist der Vertrag nicht zustande gekommen. 

 

dd)  Schweigen wird als WE gewertet, weil gem. § 242 eine Rechtspflicht zur Gegenerklärung besteht

Das Schweigen gilt als Annahme, wenn nach den Umständen des Einzelfalles unter Berücksichtigung von Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte eine Ablehnungserklärung erwartet werden darf.

zB: Schweigen nach verspäteter Annahme des Versicherungsvertrages

 

 

EINSEITIGE RECHTSGESCHÄFTE

 

Im BGB AT:

 

1)       Anfechtung gem. §§ 119, 120, 123 – Frist: § 143 – Rechtsfolgen: § 142

2)       Bevollmächtigung zur Vornahme eines Rechtsgeschäfts gem. § 167

3)       Zustimmung gem. § 182 (vgl. §§ 108; 177; 415)

 

Einseitige Rechtsgeschäfte im Schuldrecht

 

1)       Auslobung gem. § 657 (Verpflichtung entsteht durch einseitiges Rechtsgeschäft!!)

2)       Rechtsgestaltende Erklärungen im Schuldrecht: Entstehen eines Rückgewährungsschuldverhältnisses vgl. §§ 346, 349 (bei Vereinbarung); §§ 325, 326 (Wahl des Rücktritts); Eine Zwischenstellung (einseitiges – Vertrag) nimmt die Wandlungserklärung des Käufers bzw. des Bestellers ein. Zwar muss sich der Verkäufer bzw. Unternehmer nach §§ 465, 634 mit der Wandlung einverstanden erklären. In der Praxis kann jedoch der Wandlungsberechtigte sogleich seinen Anspruch auf Leistung einklagen, wenn der Vertragspartner dieses Einverständnis verweigert.

3)       Beendigung des schuldrechtlichen Vertrages: Dauerschuldverhältnisse können mittels ordentliche oder außerordentliche Kündigung beendet werden;  Schenkungsverträge können durch Widerruf beendet werden, wenn ein Grund vorliegt (§ 530); Widerruf der Einigung nach den Verbraucherkreditgesetz innerhalb der gesetzlichen Frist ohne Grund möglich.

4)       Aufrechnung, §§ 387 ff.

 

Einseitige Rechtsgeschäfte im Sachenrecht

 

1)       Die Einigung kann bis zum Vollzug grds. Widerrufen werden (Ausnahme: § 873 II)

2)       Der Eigentümer einer beweglichen Sache kann gem. § 959 sein Eigentum durch Besitzaufgabe und Verzichterklärung aufgeben.

3)       Vor der Aufhebung eines Rechts an einem Grundstück ist gem. § 875 die einseitige Aufgabeerklärung erforderlich sowie die Eintragung in das Grundbuch.

 

Einseitige Erklärung im Erbrecht

 

1)       Testament gem. § 2064

2)       Ausschlagung der Erbschaft gem. § 1946 durch den Erben

 

Besonderheiten des einseitigen Rechtsgeschäftes: Da beim einseitigen Rechtsgeschäft die Rechtsfolge mit Zugang der Erklärung eintreten soll, müssen die einseitig rechtsgestaltenden Erklärungen eindeutig sein, damit auf Seiten des Empfängers keine Unklarheiten auftreten können.

a)        Die einseitigen Rechtsgeschäfte sind bedingungsfeindlich. Doch ist es zulässig, dass der Empfänger sich in bestimmter Weise verhält, dann kann nämlich für ihn keine Unklarheit auftreten. zB: V erklärt die Kündigung des Mietvertrages ggü M, falls dieser nicht bis zum 15.10 den noch bestehenden Mietzins entrichtet hat.      

b)       Tätigt der vertretungsberechtigte ein einseitiges Rechtsgeschäft, so empfiehlt es sich mit Rücksicht auf § 174, dass der Vertreter eine Vollmachtsurkunde beifugt.

c)       Die einseitigen Rechtsgeschäfte des Vertreters ohne Vertretungsmacht sind nichtig, § 180, können also auch nicht genehmigt werden.

d)       Die einseitigen Rechtsgeschäfte, die der Minderjährige ohne die erforderliche Einwilligung des gesetzlichen Vertreters vornimmt, sind unwirksam, § 111

 

 

NICHTIGKEIT DER WE

 

 

A.      Die Nichtigkeit durch Anfechtung

 

Voraussetzungen:

1)       Die Anfechtung muss zulässig sein

2)       Es muss ein Anfechtungsgrund gem. §§ 119 I, 119 II, 120 oder 123 vorliegen

3)       Die Anfechtungserklärung muss fristgerecht dem Anfechtungsgegner ggü ausgeübt werden

4)       Die Anfechtung darf nicht durch Bestätigung ausgeschlossen sein, § 144

5)       Rechtsfolgen:

-            WE ist gem. § 142 nichtig; sofern es sich bei der Willenserklärung um eine Einigungserklärung handelt, ist auch die Einigung nichtig

-            Bei der Anfechtung nach § 119 oder 120 ist der Anfechtende zum Ersatz des Vertrauensschadens nach § 122 verpflichtet

 

1)       Die Zulässigkeit der Anfechtung von WE

 

Grds. ist jede WE anfechtbar. Sie ist unzulässig, wenn für den Anfechtungsgrund eine vorrangige Sonderregelung besteht oder wenn die WE aus Gründen des Verkehrsschutzes nicht anfechtbar ist.

a)        Gesetzliche Sonderegelungen im Familien- und Erbrecht, die die §§ 119 ff. ausschlissen. Vgl. §§ 31 ff. EheG; der Erbschaftsannahme (§§ 1949 ff.), der letztwilligen Verfügungen (§§ 2078; 2080; 2281; 2283)

b)       § 119 II ist nicht anwendbar, wenn die Regelungen über die Sachmängelgewährleistung §§ 459 ff. eingreifen.

 

Kraft Gewohnheitsrecht sind die Gründungs- und Beitrittserklärungen zu Kapitalgesellschaften des Handelsrechts und zu den Genossenschaften nicht gem. §§ 119 ff. anfechtbar, nachdem die Gesellschaft bzw. Genossenschaft bereits im Handelsregister bzw. Genossenschaftsregister eingetragen worden ist. Begründung

(1)    Diese Erklärungen sind an die Öffentlichkeit (Register) gerichtet, so dass deren Wirkungen nicht rückwirkend beseitigt werden dürfen. Die Öffentlichkeit vertraut auf den Bestand der Eintragungen.

(2)    Zum anderen Gläubigerinteressen: Die Gläubiger vertrauen berechtigterweise auf den sich aus dem Register ergebenen Bestand und Umfang des Gesellschaftsvermögens, das nicht durch Anfechtung wieder vermindert werden darf.

 

Die „fingierten“ Erklärungen

a)        Soweit das Schweigen kraft Gesetzes als WE gewertet wird, kann der Schweigende das Verhalten nicht mit der Begründung anfechten, er habe nicht gewusst, dass das Schweigen die Wirkung einer WE habe.

b)       Soweit „Rechtsscheintatbestände“ Rechtsfolgen auslösen, die im Regelfall durch Abgabe einer WE herbeigeführt werden, so kann dieser Rechtsschein nicht durch Anfechtung gem. § 119 ff. beseitigt werden. Der Rechtsscheintatbestand beruht auf einer Vertrauenshaftung. Es realisiert sich in diesem Fall nur ein bewusst gesetztes Risiko, so dass es schon an einer von 119 vorausgesetzten unbewussten Abweichung fehlt.

zB: Rechtsschein einer Bevollmächtigung: §§ 171; 172; § 56 HGB; Anscheinsvollmacht; die Blanketturkunde; die Rechtsscheinhaftung im Wechsel- und Wertpapierrecht, Art. 10, 31 III WG; Art. 13 ScheckG

 

B.      Der Anfechtungsgrund gem. § 119 I

 

§ 119 I liegt vor, bei unbewussten Auseinanderfallen von wirksam gewordener Erklärung und gewollter Erklärung

 

Es kommt also nicht auf ein Auseinanderfallen von Vorstellung und Wirklichkeit an- Irrtum im allgemeinen Sprachgebrauch-, sondern maßgebend ist, dass das Erklärte und das mit der Erklärung Gewollte auseinanderfallen. Es kommt nicht darauf an, was der Erklärende „innerlich“ wollte, sondern was er mit der Erklärung zum Ausdruck bringen wollte.

 

§ 119 I enthält zwei Fälle:

1)       Der Erklärende hat zwar die Erklärung gewollt, hat mit ihr aber einen anderen Sinn verbunden, zB Jemand unterschreibt einen KV, glaubt aber, es handle sich um einen Mietvertrag = § 119 I 1. Alt. (Inhaltsirrtum)

2)       Der Erklärende irrt sich über den äußeren Erklärungstatbestand, zB Er Verspricht sich oder verschreibt sich = § 119 I 2. Alt. (Erklärungsirrtum)

 

Beachte: Diese Abgrenzung ist entbehrlich, da die beiden Alt. kaum voneinander zu unterscheiden sind. Das Gesetz behandelt beide Alt. gleich.

 

Die unbewusste Nichtübereinstimmung zwischen erklärtem Willen und dem der Erklärung Gewollten

 

An einer unbewussten Nichtübereinstimmung zwischen der Erklärung und dem mit der Erklärung Gewollten fehlt es, wenn jemand ungelesen eine Urkunde unterschreibt. Wer eine Erklärung in dem Bewusstsein aufgibt, ihren Inhalt nicht zu kennen, kann nicht anfechten. Es sei denn, dass das die Urkunde einen Inhalt enthält mit den er nicht zu rechnen hätte brauchen. zB Mieter unterschreibt Mietvertrag ohne durchzulesen, später will der Vermieter, dass der Mieter bei ihm im Geschäft tätig wird. Anfechtung (+)

 

Fehlt im inneren Erklärungstatbestand der Handlungswille, so ist schon der Mindesttatbestand der WE nicht gegeben. Die „Erklärung“ ist von vornherein unwirksam.

 

Das unbewusste Auseinanderfallen von Erklärung und dem mit der Erklärung Gewollten liegt insb. vor, wenn der Erklärende:

 

a)       mit einer anderen Person das Rechtsgeschäft tätigen wollte

Wer mit einem anderen als der im Vertrag benannten Person einen Vertrag schließen und dies auch zum Ausdruck bringen wollte, kann gem. § 119 I anfechten

 

b)       einen Vertrag mit einer anderen Leistung bzw. Gegenleistung vereinbaren wollte

Wenn der Erklärende mit der Erklärung eine andere Leistung bzw. Gegenleistung vereinbaren wollte, so kann dies zur Folge haben, dass ein aa) anderer Vertragstyp gewollt war als tatsächlich vereinbart wurde. Es kann aber auch der bb) Vertragsgegenstand ein anderer als der gewollte sein (zB ein anderen Kaufgegenstand)

 

aa)  Es ist ein anderer Vertragstyp gewollt

Fall: Geschenkt, gekauft? Studentenpaar inseriert: „Wer überlässt mittellosen Studentenehepaar Möbel zur Einrichtung...“ A meldet sich und sagt, sie sollen sich auf den Dachboden welche aussuchen. Später verlangt A Bezahlung der Möbel iHv 350 DM.

A gegen S auf Zahlung aus § 433? Als die Studenten dem A die ausgesuchten Möbel zeigten, brachten sie zum Ausdruck, dass sie die Möbel erwerben wollten, ohne jedoch zum Ausdruck zu bringen, ob sie für die Möbel ein Entgelt zahlen wollten oder nicht, also einen KV oder Schenkungsvertrag abschließen wollten. Daher muss im Wege der Auslegung gem. §§ 133, 157 unter Berücksichtigung der Einzelumstände ermittelt werden, wie A die Erklärung der S, verstehen durfte. S waren mittellos; Studenten; A hat vor dem Aussuchen der Möbel keine Angaben bzgl. eines Entgelts gemacht = Schenkungsvertrag könnte Zustande gekommen sein. S haben das Angebot abgegeben. A hat dieses Angebot schlüssig durch das Abtransportieren angenommen. Sein äußeres Verhalten ließ aus Sicht der S den Schluss auf einen bestimmten Geschäftswillen zu, und der A hatte auch Erklärungsbewusstsein.

 

Beachte: Irrelevant ist, dass der innere Geschäftswille des A auf den Abschluss eines KV
gerichtet war., denn der innere Tatbestand einer wirksamen WE setzt lediglich voraus, dass der Erklärende mit Erklärungsbewusstsein gehandelt hat.

Ein Dissens gem. § 155 liegt nur vor, wenn die von den Parteien abgegebenen Erklärungen sich in ihrem Inhalt nicht decken. Es genügt nicht, dass die Parteien etwas verschiedenes gewollt haben.

 

Also Schenkungsvertrag (+)

 

Kann A die Möbel zurückverlangen?

(a)    Gem. § 985:  Aber Einigung und Übergabe nach § 929, 1 an S beim Abtransportieren!

Die Übereignung ist aber unwirksam, wenn A seine Einigungserklärung bzgl. dieser Eigentumsübertragung anfechten kann.

(1)    Die Anfechtung der Einigungserklärung ist zulässig

(2)    Als Anfechtungsgrund kommt § 119 I in Betracht

-            Dabei ist festzustellen, wie die Erklärung lautet. Mit seinem Einverständnis in den Möbeltransport hat A zum Ausdruck gebracht, dass er das Eigentum an den Möbeln auf die S übertragen wollte – äußerer Erklärungstatbestand-

-            Was wollte A mit der Erklärung zum Ausdruck bringen?

Im Zeitpunkt der Erklärung wollte A zum Ausdruck bringen, dass das Eigentum an den Möbeln übergehen sollte. Ein Anfechtungsgrund gem. § 119 I liegt nicht vor, weil A das, was er mit der Erklärung zum Ausdruck bringen wollte, auch tatsächlich erklärt hat.

§ 119 I kommt nur in Betracht, wenn der Erklärende den Eigentumswechsel an der konkret übereigneten Sache nicht herbeiführen wollte.

 

(b)    Hat A gegen S aus § 812 I 1, 1 einen Herausgabeanspruch?

S haben etwas erlangt; ohne Rechtsgrund? Hier kommt ein Schenkungsvertrag in Betracht, da der Formmangel des Schenkungsvertrages (§ 518) durch Vollzug des Vertrages geheilt worden ist.

Unwirksamkeit des Schenkungsvertrages durch Anfechtung gem. § 119 I?

(1)    A hat erklärt Möbel verschenke zu wollen (vgl. Auslegung)

(2)    Er wollte aber mit der Erklärung zum Ausdruck bringen, dass er die Möbel verkaufen will.

Es liegt ein unbewusstes Auseinanderfallen zwischen dem Willen des A und dem, was er mit der Erklärung zum Ausdruck gebracht hat, vor. Da A bei Kenntnis der Sachlage und bei verständiger Würdigung des Falles die Erklärung nicht abgegeben hätte, liegt ein Anfechtungsgrund gem. § 119 I vor. Damit liegt § 812 vor. (Zur Ergänzung: §§ 143, 121, 142, 122)

 

bb)  Der Erklärende wollte ein Rechtsgeschäft über einen anderen Gegenstand tätigen 

Der Erklärende kann seine WE gem. § 119 I anfechten, wenn er damit eine Einigung über einen anderen Gegenstand erzielen wollte. Der Irrtum kann darauf beruhen, dass der Erklärende den Vertragsgegenstand verwechselt oder dass er Begriffe verwendet, deren rechtliche Bedeutung für ihn nicht klar sind.

zB: A will Sache Bestellnummer 20. Irrtümlich bestellt er Sache Bestellnummer 200. KV über Sache Bestellnummer 200 ist zustande gekommen. Anfechtung? (1) Er hat erklärt Sache Bestellnummer 200;  (2) Er wollte mit seiner Erklärung zum Ausdruck bringen Sache Bestellnummer 20 zu erwerben. Das mit seiner Erklärung zustande gekommene Geschäft weicht unbewusst von dem mit der Erklärung gewollten Rechtsgeschäft ab, so dass § 119 I gegeben ist.

 

c)       Der Erklärende wollte über weitere Vertragsbestandteile eine Vereinbarung treffen

Wenn der Erklärende nicht nur eine Abrede über Leistung oder Gegenleistung will, sondern darüber hinaus eine Einigung über weitere Vertragsbestandteile – zB Leistungsmodalitäten: Zustand der Sache; Ort und Zeit der Leistung oder über die Rechtsfolgen für den Fall der Nichterfüllung-, und der Erklärende diesen Willen mit seiner Erklärung zum Ausdruck bringen wollte, so kann er gem. § 119 I anfechten, wenn dieser Wille zur Einigung über weitere Vertragsbestandteile keinen Ausdruck in der Erklärung gefunden hat.

zB:  A glaubt, er schließt die Sachmängelhaftung durch das Wort „Eviktionshaftungsausschluss“ aus, objektiv bedeutet dies lediglich der Ausschluss der Rechtsmängelhaftung. Anfechtung (+)

 

Der Rechtsfolgenirrtum: Wenn die vom Erklärenden zum Zustandekommen des Rechtsgeschäfts abgegebene Erklärung weitere – nicht miterklärte- Rechtsfolgen auslöst, die nicht gewollt sind, so kann er seine Erklärung nicht gem. § 119 I anfechten. Sein Rechtsfolgenirrtum ist unbeachtlich!

Nur dann, wenn der Erklärende erklären wollte, dass diese weitere Rechtsfolge nicht eintreten soll, u. ihm dies misslungen ist, besteht ein Anfechtungsgrund gem. §  119I. In diesem Fall weicht das mit der Erklärung Gewollte und das tatsächlich Erklärte unbewusst voneinander ab.

 

Bei weiteren, aufgrund der Erklärung eintretenden Rechtsfolgen kann es sich handeln um solche, die aufgrund Gesetzes eintreten oder die im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung ermittelt worden sind.

 

Der Irrtum über kraft Gesetzes eintretende Rechtsfolgen

Gesetzliche Regeln im Schuld- und Gesellschaftsrecht bzgl. der Erfüllung und Abwicklung von Verträgen:

a)        Im Schuldrecht: § 269 Leistungsort; § 271 Leistungszeit; §§ 286, 326 Schuldnerverzug; §§ 275, 323 ff. Unmöglichkeit; § 459 Sachmängelhaftung; § 537 Sachmängelhaftung im Mietrecht; §§ 633 ff. Sachmängelhaftung im Werkvertragsrecht u.s.w.

b)       Im Gesellschaftsrecht (BGB): § 709 Geschäftsführung; § 714 Vertretung; § 721 Gewinn u. Verlust; §§ 723 ff. Liquidation der Gesellschaft.

 

Beachte: Diese dispositiven Vorschriften können von den Parteien abgeändert werden. Will eine Partei durch Abgabe einer Erklärung diese Vorschriften Abändern oder ausschließen und misslingt ihr dieses, so liegt ein beachtlicher Irrtum gem. § 119 I vor.

 

Gesetzliche Vorschriften, die die Haftung bzw. den Eintritt in Verträge anordnen:

a)        Schuldrecht: Nach § 419 haftet derjenige, der das Vermögen als Ganzes übernimmt, den Gläubigers des bisherigen Vermögensinhabers. Nach § 571 tritt im Falle der Veräußerung eines vermieteten Grundstücks der Erwerber an die Stelle des Vermieters. Nach § 613 a tritt der Übernehmer eines Betriebes in die bestehenden Arbeitsverhältnisse ein.

b)       Im Handels- und Gesellschaftsrecht haftet der Erbe gem. § 27 unbeschränkbar; wer in ein; Haftung bei Eintritt gem. §§ 28 HGB; 130 HGB, 172 ff. HGB

 

A.      Der Irrtum über den Leistungsort

Fall: K kauft in Hamburg auf der Durchreise Weingut des V iHv 3.300 DM. Er zahlt 1000 an, der Rest soll bei Übergabe entrichtet werden. Später fragt K von Zuhause, wo der Wein bliebe. V antwortet, dass er ihn selbst abholen müsse, oder die Versendungskosten tragen müsse. Als K dies erfährt, sagt er, er wäre an de Wein nicht mehr interessiert.

Anspruch des K gegen V auf Lieferung

a)        KV (+)

b)       Mangels Einigung über den Ort der Erfüllungshandlungen , gilt § 269: ES liegt demnach eine Holschuld vor! Nach § 270 muss der Schuldner K den KP auf seine Gefahr u. seine Kosten dem V an dessen Wohnsitz übermitteln. Geldschulden sind grds. Schickschulden.

Kann K den KV anfechten gem. § 119 I, weil er angenommen hat, der Wein müsse geberacht werden, es sich somit um eine Bringschuld handele?

(1)     Er hat mit seiner Erklärung zum Ausdruck gebracht, dass er Wein für 3.300 DM  kaufen wolle. Er hat also nur eine Erklärung bzgl. der wesentlichen Vertragsbestandteile abgegeben.

(2)     Dies wollte er bei der Abgabe mit seiner Erklärung zum Ausdruck bringen. Es stimmen der geäußerte und der- wahre, innere- Geschäftswille , der in der Erklärung zum Ausdruck gebracht wurde, überein. Es liegt daher kein Anfechtungsgrund gem. § 119 I vor. K hat sich lediglich über die Rechtsfolgen, die kraft Gesetzes eintreten, geirrt. Beachte: Damit der wahre; innere Geschäftswille im Rahmen des § 199 I Berücksichtigung finden kann, muss der Erklärende auch den Willen haben, diesem Geltung zu verschaffen, indem er ihn äußert.

 

B.      Der Irrtum über die kraft Gesetzes eintretende Haftung

Hier gilt das gleiche wie oben. Es liegt ein unbeachtlicher Irrtum vor, wenn der Erklärende keine WE bzgl. der Haftung abgegeben hat.

 

C.     Irrtum über die Rechtsfolgen, die aufgrund einer ergänzenden Vertragsauslegung eintreten

Da die ergänzende Vertragsauslegung der Schließung einer Vertragslücke dient und der Erklärende über die so ermittelte Rechtsfolge keine Erklärung abgeben wollte, kann § 119 I nicht eingreifen.

 

D.     Der Irrtum über die „Berechnungsgrundlage“ – sog. Kalkulationsirrtum

Beim Kalkulationsirrtum hat der Erklärende zum Ausdruck gebracht, dass er eine bestimmte Geldsumme verlange, u. er wollte auch im Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung über diese Geldsumme die Erklärung abgeben (er wusste ja nicht das die Rechnung fasch ist), so dass im Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung kein Irrtum gem. § 119 I vorliegt. Der Erklärende hat zum Ausdruck gebracht was er wollte.

Doch bei der vorangegangenen Berechnung ist ihm ein Fehler unterlaufen, so dass er bei Kenntnis des Rechenfehlers die Erklärung nicht abgegeben hätte. Bei der rechtlichen Behandlung dieses Kalkulationsirrtums muss unterschieden werden:

(1)   Die Berechungsgrundlage ist mitgeteilt oder bekannt

(2)   Nur der Erklärende ist – einseitig- von einer bestimmten Berechungsgrundlage ausgegangen.

 

(1)    Die Berechnungsgrundlage ist mitgeteilt oder bekannt

Ist die Berechnungsgrundlage dem Erklärungsempfänger mitgeteilt worden oder ihm bekannt, liegt ein sog. offener Kalkulationsirrtum vor. Dabei ist möglich, dass die Berechnungsgrundlage Inhalt des Vertrages geworden ist oder sie zur Geschäftsgrundlage gemacht wurde. Ist dies nicht der Fall, so ist der Kalkulationsirrtum unbeachtlich.

 

-            Lässt sich ein übereinstimmender Wille der Parteien bzgl. der Preisgestaltung feststellen, so gilt vorrangig dieser. Die fehlende Bezeichnung ist demgegenüber unbeachtlich – falsa demonstratio non nocet. Der Vertrag kommt mit dem korrekt zu errechnenden Preis zustande.

 

-            Ist ein übereinstimmender Wille der Parteien bzgl. der Preisgestaltung nicht feststellbar,

d.       h., haben sich die Parteien nur über den Endpreis geeinigt, obwohl die

Berechnungsgrundlage mitgeteilt und bekannt war, so kann die Berechnungsgrundlage zur Geschäftsgrundlage geworden sein. Grundsätzlich wird allerdings die Preisgestaltung in den Risikobereich des Erklärenden Fallen, so dass die Voraussetzungen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage nicht vorliegen. Zum Wegfall der Geschäftsgrundlage s. weiter unten.

 

 

(2) Die Berechungsgrundlage ist der anderen Partei nicht bekannt

Verrechnet sich eine Partei, ohne dass die Berechnungsgrundlage der anderen bekannt ist, so kann die Methode der Berechnung nicht Vertragsinhalt werden; die Parteien haben sich nicht über die korrekt errechneten Preis geeinigt.

Eine Anfechtung scheidet aus, da der Erklärende sich nicht bei Abgabe der WE irrt, sondern vorher bei der Berechnung. Es liegt ein sog. interner Kalkulationsirrtum vor, der als Motivirrtum unbeachtlich ist.

Eine Rückabwicklung wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage scheidet aus, da einseitige Vorstellungen nicht Geschäftsgrundlage sein können.

 

Eine ähnliche Problematik entsteht bei der Abgabe einer EDV – erzeugten WE (AG Frankfurt CR 1990, 469)

 

 

C)     Der Anfechtungsgrund gem. § 119 II

 

Als Irrtum der Erklärung gilt auch der Irrtum über solche Eigenschaften der Person oder Sache, die im Verkehr als wesentlich angesehen werden (§ 199 II).

 

Probleme: Wann liegt eine Eigenschaft vor; Abgrenzung zu §§ 459 ff.

 

Der Eigenschaftsirrtum bei Sachen

Sachen iSd des § 119 II sind nicht nur körperliche Gegenstände, sondern alle Gegenstände. Auch ein Irrtum über verkehrswesentliche Eigenschaften über von Rechten, Forderungen und sonstige vermögenswerte Positionen fällt demnach unter § 119 II.

 

Eigenschaften von Sachen und Gegenständen

Eigenschaften der Sache sind neben den auf natürlicher Beschaffenheit beruhenden Merkmalen auch gegenwärtige, tatsächliche oder rechtliche Verhältnisse und Beziehungen zur Umwelt von gewisser Dauer (die in der Sache selbst ihren Grund haben), soweit sie nach der Verkehrsanschauung für die Wertschätzung und Verwendbarkeit von Bedeutung sind.

 

zB: Eigenschaft aufgrund natürlicher Beschaffenheit: das Material; das Herstellungsverfahren, Eigenschaften der Sache aufgrund tatsächlicher oder rechtlicher Verhältnisse und Beziehungen zur Umwelt: die mit einem Grundstück verbundenen Berechtigungen (Dienstbarkeiten; Baubeschränkungen); die Echtheit eines Bildes; die Lage des Grundstücks.

 

Abgekürzt: Eigenschaften sind alle gegenwärtigen Wertbildenden Merkmale von gewisser Dauer. 

 

a)       Der Irrtum über mittelbare Eigenschaften

 

Unter § 119 II fallen nur die unmittelbaren, nicht auch die mittelbaren Eigenschaften. Es muss sich um solche tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse handeln, die „in der Sache selbst ihren Grund haben, von ihr ausgehen und den Gegenstand kennzeichnen oder näher beschreiben, nicht Umstände die nur mittelbar einen Einfluss auf die Bewertung auszuüben vermögen.“

zB A ist Inhaber einer Hypothek iHv 50.000 DM. Er verkauft die Hypothek an S für 46.000 DM. Es stellt heraus, dass das Haus weniger wert war, als S angenommen hat, so dass die Hypothek wertmäßig bei weitem nicht abdeckt war.

(1)     Anfechtung des S nach § 119 II? verkehrswesentliche Eigenschaft ist der Rang der Hypothek, aber der Wert der Hypothek ist nur mittelbare Eigenschaft der Hypothek!

(2)     Anfechtung nach § 119 I scheitert, weil S den Wert des Grundstücks nicht zum Inhalt seiner Erklärung gemacht hat. 

 

aa) Der Irrtum über den Ertrag, den Umsatz, die Rentabilität

Wenn der Unternehmer Umsatz erzielt u.s.w., dann beruht dies regelmüßig auf seinen persönlichen Einsatz. Mit Rücksicht darauf geht die hM davon aus, dass diese keine verkehrswesentlichen Eigenschaften des Unternehmens sind.

Nur wenn der Ertrag, der Umsatz, die Rentabilität über Jahre erzielt worden sind, so ist dies auf den Betrieb selbst und nicht so sehr auf die persönliche Leistung zurückzuführen. Dann handelt es sich nach der Rspr. um sicherungsfähige Eigenschaften.

zB V verkauft K eine Gaststätte. V gibt an das er im letzten Jahr einen monatlichen Bierumsatz iHv 25 hl hatte, obwohl ihm bekannt war, dass der tatsächliche Umsatz geringer war. Kann sich K vom Vertrag lösen?

(1)    § 459 II (-), da Eigenschaften iSd § 459 II – neben der physischen Beschaffenheit- alle tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse sind, welche die Beziehung der Sache zur Umwelt betreffen und wegen ihrer Art und Dauer die Brauchbarkeit oder den Wert der Sache beeinflussen... Umsatz- und Ertragsangaben sind keine zugesicherten Eigenschaften eines Unternehmens, wenn sie sich nicht über einen längeren, mehrjährigen Zeitraum erstrecken und deshalb keinen verlässlichen Anhalt für die Bewertung der Ertragsfähigkeit u. damit für die Ermittlung des Wertes des Unternehmens geben 

(2)    § 119 II scheitert aus, weil K sich nicht über Eigenschaften geirrt hat.

(3)    Anspruch des K gegen V aus cic (+)! Da die Angaben über den Bierumsatz erkennbar für K von großer Bedeutung war, war V verpflichtet, hierüber eine richtige Erklärung abzugeben. Diese Pflicht hat V schuldhaft verletzt. K kann aus cic Befreiung von der vertraglichen Verpflichtung verlangen und Rückabwicklung des Vertrages verlangen.

 

Bemerkung: Der Ertrag beim Miethaus, wird vorwiegend wegen der Beschaffenheit der Sache erzielt und daher von der Rspr. als Eigenschaft angesehen.

 

cc)   Der Irrtum über steuerliche Belastungen bzw. Vergünstigungen

Ob und in welcher Höhe eine Sache bzw. Unternehmen mit Steuern oder öffentlichen Abgaben belastet oder begünstigt wird, ist für den Wert der Sache bzw. des Unternehmens von großer Bedeutung. Bei der Bestimmung des Kaufpreises wird dieser Umstand in die Berechnung einbezogen, doch Eigenschaft einer Sache kann dieser Umstand nur sein, wenn dabei an die besondere Beschaffenheit der Sache bzw. des Unternehmens angeknüpft wird.

zB A kauft von B eine Yacht in den Niederlanden. B versichert, dass er bereits die Umsatzsteuer in den Niederlanden gezahlt hat. Nach der Einfuhr in die BRD muss K 11.000 Dm zahlen, weil V dem K keine Bescheinigung über die bereits gezahlten Steuern ausgehändigt hat. Stellt der fehlende Nachweis der gezahlten Steuer in Holland eine Eigenschaft dar? BGH: Dass bei einem vorangegangenen Verkauf der Yacht in den Niederlanden Umsatzsteuer angefallen ist, betrifft allein das umsatzsteuerliche Rechtsverhältnis zwischen dem früheren Eigentümer des Schiffes und dem niederländischen Staat, nicht die Umweltbeziehungen des Kaufgegenstandes selbst. 

 

b)       Keine Eigenschaften sind der Preis oder der Wert der Sache

 

Der Preis oder der Wert der Sache oder des Gegenstandes sind nach hM keine Eigenschaften iSd § 119 II. Sie „haften“ dem Gegenstand nicht an, sondern sind das Ergebnis von Schätzungen. Keine Eigenschaft der Sache ist ferner das Eigentum an der Sache.

 

 

Die Voraussetzungen des § 119 II und die Abgrenzung zum Gewährleistungsrecht

 

Fall: K verkauft Gebrauchtwagen an einen türkischen Großhändler. Die Wagen dürfen in die Türkei nur eingeführt werden, wenn sie nicht älter als drei Jahre sind. Im Mai 1972 kaufte K von V einen gebrauchten Mercedes für 36.300 DM. K ging davon aus, dass das Baujahr 1970 sei, das Fahrzeug war jedoch 1968 schon zugelassen. Als K dies erfährt fragt er nach seinen Rechten.

(1)    K gegen V aus §§ 459, 467, 346 auf Rückabwicklung des Kaufpreises

(a)     Wirksamer KV (+); möglicherweise kann K anfechten, aber solange er die Anfechtung nicht erklärt, bleibt der KV wirksam

(b)    Die Kaufsache müsste fehlerhaft sein. Ein Fehler ist die Abweichung der tatsächlichen Beschaffenheit der Kaufsache – Ist-Beschaffenheit – von der Normalbeschaffenheit oder der vertraglich vereinbarten Beschaffenheit – Soll-Beschaffenheit -. Bzgl. des Alters haben die Parteien keine Beschaffenheitsvereinbarung getroffen. Der Mercedes weicht auch nicht von der Normalbeschaffenheit eines zu diesem Preis gehandelten Fahrzeuges ab. Da kein Fehler vorliegt, kann K den KV nicht wandeln.

(2)    K gegen V aus § 812 I 1, 1 auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeuges

(a)     V hat Eigentum und Besitz an dem Kaufpreis erlangt

(b)    Durch Leistung des K (Erfüllung des KV)

(c)    Kein Rechtsgrund, wenn K den KV anfechten kann

(Beachte!: Überwiegend wird angenommen, angefochtene Geschäfte müssen nach § 812 I 1, 1 Rückabgewickelt werden, da sie nach § 142 von Anfang an nichtig sind)

aa) § 119 I: Der Erklärte Wille des K müsste von dem Geschäftswillen abgewichen haben. K hat erklärt, er wolle das Fahrzeug für 36.300 DM kaufen. Er wollte auch eine Erklärung mit diesem Inhalt abgegeben. Über das Alter des Wagens mag K eine bestimmte Vorstellung gehabt haben, er hat diese aber weder zum Inhalt seiner Erklärung gemacht, noch hatte er das Bewusstsein, eine Erklärung über das Alter abgegeben zu haben.

dd)  § 119 II: Da Gewährleistungsansprüche nicht eingreifen ist § 119 II anwendbar. K müsste

sich über eine verkehrswesentliche Eigenschaft geirrt haben.

aaa) Eigenschaften sind alle wertbildenden Merkmale. Das Alter eines Pkw ist für die Wertschätzung von entscheidender Bedeutung und daher eine Eigenschaft.

bbb) Die Eigenschaft müsste verkehrswesentlich sein. Welche Erfordernisse erfüllt sein müssen, um das Vorliegen dieses TBM bejahen zu können, ist ungeklärt.

-            Allgemein anerkannt ist, dass solche Eigenschaften verkehrswesentlich sind, die vertraglich – ausdrücklich oder konkludent- vereinbart worden sind. (Beachte: Fehlen verkehrswesentliche Eigenschaften greifen aber die §§ 459 ff. ein!)

-            Verkehrswesentlich sind auch solche Eigenschaften, deren Vorhandensein dem Vertrage zugrunde gelegt worden sind bzw. in der Vertragserklärung Anklang gefunden haben.

Es reicht aber auch eine einseitige Vorstellung von den Eigenschaften aus, wenn es sich von selbst versteht, dass diese Eigenschaft von entscheidender Bedeutung für das Rechtsgeschäft ist.

 

Danach hat K sich über eine verkehrswesentliche Eigenschaft des gekauften Pkw geirrt. § 119 II (+). Nach § 142 entfällt der KV rückwirkend und damit der Rechtsgrund. § 812 I 1, 1 (+)

K muss gem. § 122 Schadensersatz leisten.

 

 

Das Verhältnis der Anfechtung wegen Eigenschaftsirrtums zum Gewährleistungsrecht

 

Der Irrtum über verkehrswesentliche Eigenschaften ist im § 119 II geregelt, u. nur soweit der Anwendungsbereich der Gewährleistungsvorschriften reicht, ist § 119 II ausgeschlossen.

 

a) Anwendungsbereich der Gewährleistungsvorschriften:

 

Käufer, Mieter oder Besteller können Gewährleistungsvorschriften geltend machen. Die Gewährleistungsvorschriften, die die Anwendung des § 119 II ausschließen, greifen ein, wenn der Kauf-, Mietsache oder dem Werk:

-            ein vereinbartes Beschaffenheitsmerkmal fehlt (§§ 459 I, 537, 633) oder

-            ein Beschaffenheitsmerkmal fehlt, das eine vergleichbare Sache normalerweise hat (§§ 459 I, 537, 633), oder

-            eine zugesicherte Eigenschaft fehlt (§§ 459 II, 537, 633)

 

c)       Anwendungsbereich der Anfechtung gem. § 119 II:

 

Da die Gewährleistungsansprüche nur Gültigkeit haben für den Käufer, Mieter oder Besteller, können der Verkäufer, Vermieter und Unternehmer im Falle des Eigenschaftsirrtums unter den Voraussetzungen des § 119 II ihre Erklärung anfechten.

 

(Etwas anderes gilt nur, wenn sie sich dadurch ihren Gewährleistungspflichten entziehen wollen!, s.u. Fall)

 

Für den Käufer; Mieter oder Besteller besteht nur eine Anfechtungsmöglichkeit,

-            wenn eine verkehrswesentliche Eigenschaft fehlt, die weder ein Beschaffenheitsmerkmal darstellt noch zugesichert worden ist, oder

-            wenn der Erklärende sich das Beschaffenheitsmerkmal bzw. der Eigenschaft einseitig vorgestellt hat.

-            Vor Gefahrübergang sind nach hM die Anfechtungsregeln unbeschränkt anwendbar, weil die Gewährleistungsansprüche schon ihrem Wortlaut nach nicht eingreifen.

 

I.                       Fehlen von vereinbarten Beschaffenheitsmerkmalen

 

Fall: V bietet in seinem Geschäft ein Picasso Original für 84.000 DM an. K kauft dieses Bild. Nach einem Jahr stellt er fest, dass es sich um eine Kopie handelt.

a)        Inhalt des KV? Als Kaufgegenstand ist das in dem Geschäft des V hängende und von K ausgesuchte Bild bezeichnet. Die Kaufsache wird durch das „Hier und Jetzt“ bestimmt. Das Bild soll die Eigenschaften haben, von dem Picasso zu stammen.

Die Erklärung kann nicht so verstanden werden, dass ein echter Picasso als Vertragsgegenstand übereignet werden müsse (?). Dazu wäre V nicht in der Lage, und der Vertrag wäre, nach § 306 nichtig.

b)       K kann sich von dem Vertrag lösen u. den KP zurückverlangen, wenn ihm ein Wandlungs- oder Anfechtungsrecht zusteht

 

(I)                    Dem K steht ein Wandlungsgrund gem. § 459 I zu, weil die ihm übergebene Sache nicht vom Picasso herrührt u. somit nicht die vereinbarte Eigenschaft hat. (so die Lehre vom subjektiven Fehlerbegriff, hM)

Aber dieser Anspruch ist Verjährt, § 477

(II)                 Anfechtung gem. § 119 I (-), da K die Vertragserklärung, die zum Zustandekommen des KV geführt hat, auch abgeben wollte.

(III)              Anfechtung gem. § 119 II (-), denn diese Vorschrift ist nicht anwendbar soweit

Gewährleistungsansprüche tatbestandsmäßig eingreifen!

 

Der Ausschluss der Anfechtung nach § 119 II nach Gefahrübergang hat folgende Gründe: Würde § 119 II auch dann angewandt, wenn ein Gewährleistungsgrund vorliegt, so hätte dies zur Folge,

 

-            die kurze Verjährungsfrist für die Gewährleistung gem. § 477 praktisch hinfällig wäre, weil die Anfechtung 30 Jahre lang möglich ist

-            entgegen § 460, 2 könnte der Käufer, der den Sachmängel infolge grober Fahrlässigkeit nicht gekannt hat, sich gleichwohl nach § 119 II vom Vertrage lösen, weil die Anfechtung verschuldensunabhängig ist.

 

 

Abwandlung:   

V bietet eine Picasso-Kopie für 2.200 DM an. K erwirbt diese. Nach einem Jahr stellt sich heraus, dass es sich dabei um ein Original handelt.

 

a)        KV mit dem Inhalt, das Kaufgegenstand eine Kopie von Picasso sein soll (+)

b)       V kann den KV anfechten u. das Bild zurückverlangen gegen Zahlung des KP gem. § 812, wenn er sich bei Abgabe der Vertragserklärung über eine verkehrswesentliche Eigenschaft des Bildes geirrt hat, §§ 119 II, 142

 

aa) Die Anwendbarkeit des § 119 II wird in diesem Fall durch die Gewährleistungsregeln des Kaufrechtes nicht berührt. Die Gewährleistungsrechte stehen nur dem Käufer zu, der eine Kaufsache von ungünstiger Beschaffenheit erhalten hat.

 

cc)   V hat sich bei Abgabe der Vertragserklärung vorgestellt, dass es sich bei dem Bild um

eine Kopie handele. Da es in Wahrheit ein Original war, hat er sich über eine verkehrswesentliche Eigenschaft der Kaufsache geirrt. Für die Wertschätzung eines Kunstgegenstandes ist es nach der Verkehrsanschauung von erheblicher Bedeutung, ob es sich um ein Original oder um eine Kopie handelt. Auch wenn man, wie ein Teil der Lit., einen beachtlichen Eigenschaftsirrtum nur anerkennt, falls die Vorstellung von der Eigenschaft in der Vertragserklärung Ausdruck gefunden hat, so liegen hier die Voraussetzungen vor, da die Parteien vereinbart haben, dass es sich beim Bild um eine Kopie handeln sollte.

 

dd)  Die Anfechtung könnte ausgeschlossen sein:

 

(1)     Wenn der Verkäufer im Falle eines beachtlichen Eigenschaftsirrtums sich nur seiner Gewährleistungspflicht entziehen will, ist das Anfechtungsrecht gem. § 119 II nach Treu und Glauben ausgeschlossen.

Da hier der Käufer keine Gewährleistungsansprüche erhebt – er hat eine bessere Sache erhalten – ist das Anfechtungsrecht nicht nach § 242 ausgeschlossen.

 

(2)     Ein Ausschluss des Anfechtungsrechts könnte sich daraus ergeben, dass sich beide Parteien über dieselbe Eigenschaft der Kaufsache geirrt haben. Es liegt ein beiderseitiger Irrtum vor. Die Behandlung des Doppelirrtums ist umstritten:

 

(a)     Die hM geht davon aus, das § 119 II nur den einseitigen Irrtum regelt u. für den Fall eines Doppelirrtums die Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage eingreifen!

Zur Begründung wird darauf verwiesen, dass beim Doppelirrtum die Schadensersatzpflicht des Anfechtenden (§ 122) ungerechtfertigt sei, weil es vom Zufall abhänge, wer als erster die Anfechtung erkläre. Außerdem ermögliche die Lehre vom Wegfall der Geschäftsgrundlage nicht nur die Beseitigung des Vertrages, sondern vor allem die Anpassung an die wirklichen Umstände.

 

(b)    Teilweise werden auch bei einem beiderseitigen Irrtum die §§ 119 ff. für anwendbar gehalten. Anfechten werde stets nur eine Partei, zu deren Nachteil die Wirklichkeit von der gemeinsamen Vorstellung abweicht, da nur sie einen Vorteil von der Anfechtung habe. Wenn sie aber diesen Vorteil in Anspruch nehmen wolle, so sei es nicht unbillig, ihr das Anfechtungsrecht zu geben und sie mit der Ersatzpflicht aus § 122 zu belasten.

 

(c)     Der letztgenannten Ansicht wird gefolgt. Beim Doppelirrtum wird in aller Regel, wie auch in casu, nur eine Partei Vorteile haben. Es ist daher nicht, wie von der hM angenommen, vom Zufall abhängig, wer als erster das Anfechtungsrecht geltend macht. Überwiegend wird sogar angenommen, dass eine Partei, die durch einen Irrtum wirtschaftlich besser gestellt wird, nicht zur Anfechtung berechtigt sei.

Wenn aber nur eine Partei zur Anfechtung berechtigt ist und nur sie einen wirtschaftlichen Vorteil von der Anfechtung hat, ist es auch gerechtfertigt, sie bei einer wirksamen Anfechtung mit der Ersatzpflicht des § 122 zu belasten.

 

Der Doppelirrtum ist allenfalls dann nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage zu behandeln, wenn beide Parteien anfechtungsberechtigt sind, und nach den gesamten Umständen zu erwarten ist, dass sie auch von ihrem Anfechtungsrecht Gebrauch machen werden.

 

Da hier K als Begünstigter von seinem Anfechtungsrecht keinen Gebrauch machen wird, ist § 119 II nicht wegen eines Doppelirrtums ausgeschlossen.

 

(3)     Die Anfechtung ist wegen unzulässiger Rechtsausübung ausgeschlossen, wenn der Geschäftsgegner bereit ist, das Geschäft so gelten zu lassen, wie der Erklärende es irrtumsfrei gewollt haben würde.

K kann daher die Anfechtung durch V verhindern, indem er ihm die Zahlung des Mehrpreises anbietet, vorausgesetzt, V hätte auch das Original verkaufen wollen.

 

Ergebnis: Bietet K die Zahlung des Mehrpreises nicht an, kann V Anfechten in der in § 121 bestimmten Frist. § 142 und § 122 finden Anwendung.

 

 

II.                    Der Irrtum über Eigenschaften, die ein mit dem Vertragesgegenstand vergleichbarer Gegenstand normalerweise har.

 

Der Irrtum über die Normalbeschaffenheit fällt in den Anwendungsbereich der Gewährleistungsregeln. Soweit dieser Anwendungsbereich reicht, ist § 119 II ausgeschlossen.

Bei einem einseitigen Irrtum des Käufers über Eigenschaften, die nicht unter das Gewährleistungsrecht fallen, kommt § 119 II zur Anwendung: zB V verkauft dem K ein Boot,  

das über 30 Jahre alt ist. K ging davon aus, es wäre nicht älter als 10 Jahre;  a) §§ 459 ff. (-), da das Boot so beschaffen ist, wie es nach dem Vertrag beschaffen sein sollte.; b) § 119 II (+).

 

 

 

Der Eigenschaftsirrtum beim Gattungskauf

 

Wird bei einem Vertrage über eine Gattungssache die Sache begrifflich bestimmt und will der Erklärende zwar diesen Begriff verwenden, irrt er aber über die Bedeutung des Begriffes, so ist zweifelhaft, ob er seine Erklärung nach § 119 I oder nach § 119 II anfechten kann.

zB K geht zum Metzger u. verlangt 1 Kilo Filet. Er meinte damit Rinderfilet. Als er feststellt, dass es sich um Pferdfleisch handelt, will er vom Vertrage loskommen; a) §§ 459 ff. (-); b) § 119 I 0der § 119 II? Es besteht ein Anfechtungsgrund nach § 119 I, wenn der Erklärungstatbestand dahingehend erweitert wird, dass K zum Ausdruck gebracht hat, er verlange 1 Kilo Rinderfilet. Dann weicht, das mit der Erklärung Gewollte ab, weil er Rinderfilet haben wollte. Wird die Anwendung des § 119 I ist § 119 II einschlägig. Letztlich kann dieser Streit dahingestellt bleiben, da es für das Ergebnis keinen Unterschied macht.

 

 

Der Irrtum über verkehrswesentliche Eigenschaften der Person gem. § 119 II

a)       Die Person

Personen iSd § 119 II sind sowohl natürliche als auch juristische Personen. In aller Regel wird es der Geschäftsgegner sein, über dessen Eigenschaften sich der Erklärende geirrt hat. Falls Dritte in den Geschäftsbereich einbezogen sind, kann der Erklärende seine Erklärung gem. § 119 II anfechten, wenn die Eigenschaften des Dritten für die Abwicklung des Vertrages von

Bedeutung sind. zB Darlehensgeber irrt sich über die Vermögensverhältnisse des Bürgen.

 

b)       Die Eigenschaften der Person

Zu den Eigenschaften der Person gehören die persönlichen Eigenschaften, die der Person „anhaften“, so zB das Lebensalter; der Gesundheitszustand; die Leistungsfähigkeit; die Vertrauenswürdigkeit; die Sachkunde...

Auch die tatsächlichen u. rechtlichen Verhältnisse können einen Einfluss auf die Wertschätzung der Person haben, zB Vermögensverhältnisse; Konfession; Vorstrafen; Parteizugehörigkeit.

 

c)       Verkehrswesentlichkeit der Eigenschaften der Person

Verkehrswesentlich sind die Eigenschaften einer Person, wenn sie  für die Abwicklung des Rechtsgeschäfts von Bedeutung sind. Eine Eigenschaft der Person wird erst durch den Zusammenhang mit dem konkret geschlossenen Rechtsgeschäft zur verkehrswesentlichen Eigenschaft.

zB B kauft eine Sense bei A, der Katholik ist. Als S dies erfährt, will er anfechten. Dies geht nicht, da die Konfession für die Abwicklung des KV keine Bedeutung hat.

 

aa) Zahlungsfähigkeit und Kreditwürdigkeit sind verkehrswesentliche Eigenschaften, wenn das Geschäft auf dem Vertrauen in die Zahlungsfähigkeit bzw. Kreditwürdigkeit beruht, wie dies bei Kreditgeschäften der Fall ist.

zB Unternehmer erfährt, dass der Besteller pleite ist. U kann gem. § 119 II anfechten

 

bb)  Die Vertrauenswürdigkeit ist in solchen Geschäften verkehrswesentlich, bei denen

starke persönliche, insb. Sich über lange Zeit erstreckende Leistungen Vertragsgegenstand sind. Diese Eigenschaft ist zB verkehrswesentlich bei der Einstellung eines Prokuristen oder Handlungsgehilfen, nicht aber beim Makler oder Käufer einer Sache.

 

cc)   Die Anfechtung wegen Irrtums über verkehrswesentliche Eigenschaften einer Person hat insb. bei der Einstellung von Arbeitnehmern eine Bedeutung:

-            Der Gesundheitszustand ist eine verkehrswesentliche Eigenschaft, wenn die Erkrankung dem Arbeitsnehmer die Fähigkeit nimmt oder erheblich beeinträchtigt, die vertraglich übernommene Tätigkeit wahrzunehmen (nicht nur bei vorrübergehenden Krankheiten)

-            Auch die Schwangerschaft ist nur dann eine wesentliche Eigenschaft, wenn aufgrund dessen die Beschäftigung ausgeschlossen ist, wie zB bei der Einstellung als Tänzerin, Artistin etc...

-            Die Zugehörigkeit zu einer Konfession oder einer politischen Vereinigung ist nur bei Tendenzbetrieben (§ 118 BetrVG) und Religionsgemeinschaften erheblich.

 

 

D)     Der Anfechtungsgrund gem. § 120

 

Der Erklärende kann seine WE gem. § 120 anfechten, wenn die durch eine Person oder Anstalt unrichtig übermittelt ist. § 120 stellt damit auch klar, dass eine unrichtig übermittelte Erklärung dem Erklärenden zunächst als WE zugerechnet wird. Der Erklärende trägt das Risiko der Fehlübermittlung. Ohne (rechtzeitige) Anfechtung wirkt die falsch übermittelte WE für und gegen ihn.

Voraussetzungen der Anfechtung:

 

a)       Der Übermittelnde muss Erklärungsbote sein (Person zB auch Dolmetscher oder Anstalt zB Post-AG)

 

aa) Gibt der Übermittelnde eine eigene WE im Namen eines anderen ab, d.h., handelt er als Vertreter, so gilt § 120 nicht. Für die Abgrenzung zum Vertreter ist darauf abzustellen, dass der Vertreter eine eigene WE abgibt, der Bote eine fremde überbringt. Maßgeblich ist das äußere Erscheinungsbild. Bote ist demnach, wer als solcher dem Erklärungsempfänger gegenüber auftritt.

 

bb)  Auf Übermittlungshelfer des Empfangsboten ist § 120 nicht anwendbar, weil für dessen

Fehler der Empfänger u. nicht der Erklärende das Risiko trät.

 

b)       Der Bote muss die Erklärung unbewusst unrichtig übermitteln

 

aa) Bei bewusst unrichtiger Übermittlung ist die WE auch ohne Anfechtung für den Erklärenden unverbindlich. In den §§ 119 ff. ist nur die unbewusste Fehlleistung als Anfechtungsgrund anerkannt.

Der vorsätzlich falsch übermittelnde Bote wird wie ein vollmachtsloser Vertreter behandelt. Der GH hat die Möglichkeit der Genehmigung (§ 177), anderenfalls haftet der Bote aus § 179.

 

bb) Die Gründe für die unrichtige Übermittlung sind gleichgültig. § 120 gilt auch dann, wenn die Erklärung völlig verändert oder irrtümlich einem anderen Empfänger zugeleitet wird.

 

 

E)     Der Anfechtungsgrund gem. § 123

 

§ 123 schützt die Willensentschließung. Da der Erklärende in den Fällen der arglistigen Täuschung die mit der WE erstrebte Rechtsfolge im Zeitpunkt der Abgabe auch wollte und nur die vorangegangene Willensbildung in unzulässiger Weise beeinflusst worden ist, handelt es sich um einen Irrtum im Motiv: Die Vorstellung des Erklärenden stimmt im Zeitpunkt der Abgabe nicht mit der Wirklichkeit überein.

 

Verhältnis zu anderen Vorschriften:

 

1)       Auch wenn das durch Täuschung bzw. Drohung zustande gekommene Rechtsgeschäft in aller Regel Sittenwidrig iSd § 138 sein wird, ist es nicht ohne weiteres nichtig, sondern lediglich anfechtbar.

2)       Schadensersatzansprüche können aus cic u. unerlabter Handlung bestehen:

-            Wer seinen Vertragspartner durch Täuschung oder Drohung zum Vertragsabschluss bestimmt, begeht eine vorvertragliche Pflichtverletzung. Der Getäuschte bzw. Bedrohte hat einen Schadenersatzanspruch aus cic, der sich unter anderen auf Aufhebung u. Rückabwicklung des Vertrages richtet. Nach hM gelten für diesen Anspruch die normalen Verjährungsfristen, so dass selbst dann einen Anspruch auf Rückabwicklung des Vertrages besteht, wenn die Anfechtungsfrist des § 124 verstrichen ist (1 Jahr)

-            Neben der Anfechtungsmöglichkeit nach § 123 besteht nach § 823 häufig die Möglichkeit, aus unerlabter Handlung (§ 823 II BGB iVm § 263 bzw. § 240; § 826) Schadensersatz zu verlangen.

 

Voraussetzungen:

 

a)       Täuschungshandlung

b)       Irrtum

c)       Kausalität zwischen Täuschungshandlung und Irrtum

d)       Arglist des Täuschenden

 

a)       Die – rechtswidrige – Täuschungshandlung

 

Es kommt jedes Verhalten in Betracht, durch das Tatsachen vorgespiegelt, entstellt oder unterdrückt werden.

 

aa) Tauschungshandlung durch positives Tun oder unterlassen

Stichpunkte: Schlüssiges Verhalten / Ausdrückliches Verhalten; keine allgemeine Aufklärungspflicht; Aufklärungspflicht aus Treu und Glauben*, weiteres vgl. § 263 StGB. * zB der Gebrauchswagenhändler ist verpflichtet den Kunden darüber zu informieren, dass das Auto einen Unfall erlitt, wenn (wie meistens) diese Tatsache Einfluss auf den Kaufentschluss des Kaufinteressenten hat.

 

bb)  Es müssen Tatsachen behauptet, unterdrückt oder verschwiegen werden, die

nachprüfbar sind.

 

cc)   Die Täuschungshandlung muss widerrechtlich sein.

Das Gesetz geht davon aus, dass die arglistige Täuschung stets widerrechtlich ist. Dabei ist übersehen worden, dass der Täuschende, der eine unzulässige Frage überhaupt nicht oder unrichtig beantwortet, nicht rechtswidrig handelt, so dass im Einzelfall eine Täuschungshandlung vorliegen kann, ohne dass der TB des § 123 erfüllt ist.

 Relevant ist dies bei den Fragen, die ein Arbeitgeber bei der Einstellung von Arbeitskräften stellt. Von der Rspr. wird dem Arbeitsgeber ein Fragerecht nur insoweit zugestanden, als er ein berechtigtes u. schutzwürdiges Interesse an der Beantwortung der Frage für das Arbeitsverhältnis hat.

 

b)       Ursächlichkeit zwischen Täuschungshandlung bzw. Irrtum u. abgegebener WE

Es muss festgestellt werden, das durch die Täuschungshandlung ein Irrtum erregt, unterhalten oder verstärkt worden ist und dass dieser Einfluss auf die abgegebene WE hatte. Ausreichend ist die Mitursächlichkeit.

 

c)       Die Arglist

Der Täuschende muss in dem Bewusstsein tätig geworden sein, dass der Getäuschte durch die Täuschung zur Abgabe einer WE bestimmt wird, die er ohne die Täuschung überhaupt nicht oder nicht mit dem erklärten Inhalt abgegeben hätte. Der Täuschende muss also vorsätzlich tätig geworden sein, wobei dolus eventualis ausreicht. 

Ein fahrlässiges oder grob fahrlässiges Verhalten scheidet als Täuschungshandlung aus. Wer aber in bewusster Unkenntnis der Tatsachen „ins blaue hinein“ Behauptungen aufstellt, die unzutreffend sind, handelt arglistig. Der Arglist ist darin zu sehen, dass dem Erklärenden, was ihm auch bewusst ist, jegliche  zur sachgemäßen Beantwortung erforderliche Kenntnis fehlt u. dass er gleichwohl diesen Umstand ggü dem anderen Teil verschweigt.

zB Kfz-Händler V bekam ein Auto vor 2 Tagen. Ohne es nachzuprüfen, versichert er das Auto wäre im besten Zustand. Die Arglist ist zu bejahen, obwohl nicht festgestellt werden kann, ob V Kenntnis vom Unfall hatte. Merke: „Behauptungen ins Blaue hinein“

 

Ob die Täuschung im wohlmeinender Absicht arglistig ist u. ob eine Arglist auch Schädigungsabsicht voraussetzt ist umstritten. Nach hA setzt die Arglist nicht voraus, dass der Täuschende die Absicht oder den Vorsatz hat, den Getäuschten zu schädigen oder sich zu Unrecht zu bereichern.

 

 

§ 123 II: Die Unzulässigkeit der Anfechtung, wenn ein Dritter getäuscht hat

 

Hat ein Dritter die Täuschungshandlung begangen, so kann der Getäuschte seine WE nur anfechten, wenn der Erklärungsempfänger die Täuschung kannte oder kennen musste. Fraglich ist, wer als „Dritter“ iSd § 123 anzusehen ist.

 

 Fall:  Händler A verkauft an Eheleute E, einen Traktor. A erklärte sich bereit ihr Hof zu erwerben und dafür ein Haus in der Nähe der Stadt zu errichten. A beauftragte einen Architekten und legte die Baupläne den Eheleuten zur Billigung vor. Als A von seiner Bank B bedrängt wurde, Sicherheiten für gewährte Kredite zu leisten, veranlasste A die E mit dem Versprechen, das Einfamilienhaus für sie zu errichten, an die Bank eine Eigentümergrundschuld formgerecht abzutreten. Als A später nicht zahlt, geht die Bank gehen E aus der Grundschuld vor. Die Eheleute erklären ggü der Bank die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung. Die Bank macht geltend, nicht sie, sondern A als Dritter hätte getäuscht. Es ist davon auszugehen, dass A von vornherein nicht die Absicht hatte, das Einfamilienhaus zu errichten, u. dass die B-Bank von der Unerfahrenheit der E in geschäftlichen Dingen wusste.

 

Anspruch der B-Bank gegen E auf Duldung der Zwangsvollstreckung gem. §§ 1147, 1191; 1192

 

Die Eheleute E hatten die Grundschuld formgerecht gem. §§ 398, 1191, 1192 an die Bank übertragen. Die Abtretungserklärung kann gem. § 123 von den E abgefochten werden, wenn sie durch arglistige Täuschung zur Abgabe dieser WE veranlasst wurden.

 

(1)    A hat den E vorgespiegelt, er werde für sie ein Haus errichten, und hat anlässlich der Bitte, die Grundschuld an die Bank abzutreten, konkludent zum Ausdruck gebracht, dass die E dadurch keine Nachteile erleiden. Die E durften nach den Gesamtumständen davon ausgehen, dass die Bank aus der Grundschuld nicht vorgehen werde. Daher hat A durch arglistige Täuschung in den E einen Irrtum erregt u. diese zur Abgabe der WE veranlasst. § 123 (+)

(2)    Da die B-Bank von der Täuschungshandlung des A weder Kenntnis hatte noch hätte Kenntnis haben müssen, ist eine Anfechtung nur möglich, wenn A nicht Dritter iSd § 123 ist.  Der Begriff des Dritten ist nicht von der Rspr. oder Lit. festgelegt worden. Nach allgemeiner Auffassung, ist negativ abzugrenzen, d.h., es ist unter Berücksichtigung von Sinn u. Zweck der in § 123 II getroffenen Regelung zu bestimmen, welche Personen nicht Dritte sind.

 

(a)     Der Täuschende ist nicht Dritter, wenn sein Verhalten dem des Anfechtungsgegners gleichzusetzen ist, d.h., wenn er auf der Seite des Anfechtungsgegners tätig wird.

 

aa) Nicht Dritter ist der gesetzliche oder rechtsgeschäftliche Vertreter des Anfechtungsgegners.

bb) Nicht Dritter ist der vom Anfechtungsgegner beauftragte Verhandlungsführer oder Verhandlungsgehilfe.

dd)  Ebenfalls nicht als Dritter anzusehen ist die Person, die wegen ihrer engen Beziehung zum

Erklärungsempfänger als dessen Vertrauensperson erscheint.

 

(b)    Nach der Rspr. u. einem Teil der Lit. ist im übrigen nach Billigkeitsgesichtspunkten unter Berücksichtigung der Interessenlage zu prüfen, ob aufgrund besonderer Umstände die Eigenschaft als Dritter zu verneinen ist.

 

In casu hat der BGH den A nicht als Dritter im Verhältnis zur Bank angesehen. Die Bank hatte ein hohes Interesse an der Bestellung der Grundschuld und deshalb den A unter Druck gesetzt hatte. Trotz der ihr bekannten Geschäftsungewandtheit hatte die B von Verhandlungen mit den Eheleuten E abgesehen u. diese ganz dem A überlassen. Die Bank konnte in Betracht dieser Sachlage nicht annehmen, dass die E bei richtiger Unterrichtung die Eigentümergrundschuld zur Sicherheit abtreten würden. Zudem hat sie dem A den Kredit zunächst ohne Sicherheiten eingeräumt, so dass es gerechtfertigt ist, dass die Bank das Risiko für die Rückzahlung des Kredits durch A trägt. Nach fristgerechter Anfechtung, ist die WE der E nichtig, § 142. B hat keine Ansprüche gegen E.

 

(c)     In der Lit. wird diese Entscheidung kritisiert. Voraussetzung für die Nicht-Eigenschaft als Dritter sei, dass die täuschende Person auf der Seite des Anfechtungsgegners stehe. Der Schuldner (hier A), der einen anderen zur Bestellung von Sicherheiten bewege, werde primär in eigenem Interesse tätig. Er stehe daher nicht auf der Seite des Gläubigers u. Sicherungsnehmers.

 

Danach ist die Anfechtung gem. § 123 II ausgeschlossen. Die Bank hat einen Anspruch auf Duldung der Zwangsvollstreckung aus §§ 1191, 1192, 1147 gegen E.

 

 

Abwandlung: Die B-Bank hat dem A einen Überziehungskredit eingeräumt, nachdem die Eheleute E die Eigentümergrundschuld notariell an die Bank abgetreten hatten. Der B-Bank waren die Beziehungen des A zu den Eheleuten unbekannt. Später fällt A in Konkurs.

 

Die Bank ist Inhaberin der Grundschuld. Die E können hier auch nach der Rspr. ihre Abtretungserklärung nicht anfechten, weil A Dritter iSd § 123 ist. Unter Berücksichtigung der Interessenlage ist es aus Billigkeitsgründen nicht geboten, der Bank das Verhalten des A zuzurechnen. Die Bank hatte dem A den Überziehungskredit erst eingeräumt, als die Abtretung der Eigentümergrundschuld erfolgt war.

 

 

Die Ansprüche des arglistig Getäuschten aus §§ 463; 812; 823; cic und deren Verhältnis untereinander

 

 Fall: V verkauft dem K ein Haus an der See unter Ausschluss der Gewährleistung. Bei den Verhandlungen, sagte X (Vater des V), dass er das Haus vor 10 Jahren als Architekt errichtet hat. Das Haus sei von guter Qualität. Nachdem K als Eigentümer eingetragen wurde und das Haus bezogen hat, stellt er fest, dass es in einem Überschwemmungsgebiet liegt, die damaligen deichpolizeilichen Auflagen nicht ordnungsgemäß erfüllt worden sind und mit von Fäulnis befallenem Holz errichtet worden ist. K fragt nach seinen Rechten. Er weist darauf hin, dass er mit Rücksicht auf die Erklärungen des X das Haus erworben habe. V meint, er habe von dem Zustand keine Kenntnis gehabt, auch berauche er sich das Verhalten des Vaters X nicht zurechnen lassen.

 

In Betracht kommt:

a)       § 463

b)       § 812 (iVm § 123 beim Fehlen des Rechtsgrundes)

c)       cic

d)       §§ 823 ff.

 

a)       Gewährleistungsrechte aus § 463: Wandlung; Minderung; Schadensersatz

 

(1)    Wirksamer KV zwischen K –V (+) vgl. §§ 433, 313; noch keine Anfechtung erklärt.

(2)    V muss dem K bestimmte Eigenschaften zugesichert, arglistig Fehler verschwiegen oder nicht vorhandene Eigenschaften vorgespiegelt haben. Da in dem KV keine Eigenschaften zugesichert worden sind u. V selbst keine Täuschungshandlung begangenen hat, greift § 463 nur ein, wenn X arglistig Fehler verschwiegen hat und der V sich das Verhalten des X zurechnen lassen muss.

 

(a)     X hat es unterlassen den K auf Mängel hinzuweisen. Da X wusste, dass K auf seine Erklärung als damaliger Architekt vertraute, musste er dem K über alle Umstände aufklären, die für die Benutzbarkeit des Hauses von Bedeutung waren. Ihn traf als Verhandlungsgehilfe des V gem. § 242 eine Offenbarungspflicht.

(b)    V muss sich dieses Verhalten gem. § 278 zurechnen lassen, denn mit der Aufnahme der Vertragsverhandlungen entstand zwischen V und K ein pflichtbegründendes Vertrauensverhältnis, das bestimmte sorgfalts- und Aufklärungspflichten begründete (Beachte: Zeitpunkt der Vertragsverhandlung, wo X mitgewirkt ist zu beachten). Da V seinen Vater X zu den Verhandlungen herangezogen hat, war X so wie V verpflichtet, diese Sorgfalts- und Aufklärungspflicht zu beachten. Daher hat X als „Erfüllungsgehilfe“ des V die arglistige Täuschung begangen, die dem V zuzurechen ist.      

 

Ergebnis: § 463: Wandlung; Minderung; Schadensersatz (+)

 

b)       K kann von V gem. § 812 den gezahlten KP zurückverlangen, wenn V den KP ohne Rechtsgrund erlangt hat.

 

(1)       V hat etwas erlangt, nämlich den KP. Durch Leistung des K, zum Zwecke der Kaufvertragsverpflichtung.

(2)       Zweckverfehlung? In Betracht kommt Anfechtung nach § 123 (iVm § 142)

(a)     X hat den K durch arglistige Täuschung zur Abgabe der WE veranlasst. X ist als Verhandlungsgehilfe nicht Dritter iSd § 123 II.

(b)    Bei fristgerechter Anfechtung gem. § 124 entfällt der KV

 

Ergebnis: K kann den KP gem. § 812 zurückverlangen

 

c)       Anspruch des K gegen V aus cic auf Schadensersatz

 

(1)    Die Regeln der cic müssten anwendbar sein.

 

(a)         Falls K den KV nicht anficht, kann K wegen arglistiger Täuschung den Schadensersatzanspruch gem. § 463 geltend machen. § 463, 2 regelt gerade den Fall, dass der Verkäufer oder dessen „Hilfspersonen“ anlässlich des Vertragsschlusses arglistig gehandelt haben.

Obwohl § 463 in Bezug auf Fehler u. Eigenschaft der Kaufsache eine abschließende Sonderegelung darstellt, scheidet nach hM der Anspruch aus cic dann nicht aus, wenn Vorsatz des Verkäufers bzw. wie in casu – dem Verkäufer zurechenbarer Vorsatz der Hilfsperson – vorliegt. Er besteht, auf den Vertrauensschaden gerichtet, neben den aus § 463, der auf das Erfüllungsinteresse geht.

 

(b)        Falls der KV wegen arglistiger Täuschung angefochten wird, könnte die Anwendung der cic ausgeschlossen sein. Doch aufgrund der Anfechtungsregel des § 123 (§ 122 greift nicht ein) wird nur die Nichtigkeit der abgegebenen WE herbeigeführt, während nach den Regel der cic Schadensersatz verlangt werden kann. Daher können Ansprüche aus cic auch nach Anfechtung der WE geltend gemacht werden.

 

(2)    Voraussetzungen der cic (+)

-            Zwischen V u. K bestand im Zeitpunkt der Aufnahme ernsthafter Vertragsverhandlungen ein pflichtbegründendes Schuldverhältnis.

-             X hat als Erfüllungsgehilfe des V wegen der arglistigen Täuschung schuldhaft Pflichten aus diesem Schuldverhältnis verletzt. Dieses schuldhafte Verhalten muss dem V gem. § 278 zugerechnet werden.

 

(c)        K kann von V Ersatz des Vertrauensschadens aus cic verlangen

 

d)       Schadensersatz aus unerlabter Handlung gem. § 831 (-), da X nicht Verrichtungsgehilfe des V ist. Es fehlt an der erforderlichen Weisungsabhängigkeit des X.

 

 

 

Die Widerrechtliche Drohung

 

Einwirkung in die freie Willensentschließung. Drohung ist die Ankündigung eines empfindlichen Übels, auf dessen Eintritt sich der Drohende Einfluss zuschreibt (Warnung genügt nicht).

 

Widerrechtlich ist die Drohung, wenn die Abgabe der WE unter Anwendung rechtswidriger Mittel erzwungen worden, der mit der WE verfolgte Zweck verwerflich oder die Verknüpfung dieses Mittels zur Erreichung dieses Zwecks anstößig ist.

 

A)     Das Mittel ist unabhängig vom verfolgten Zweck rechtswidrig, wenn das angedrohte Übel unzulässig ist, wenn also mit etwas verbotenem gedroht wird.

B)      Der Zweck ist rechtswidrig, wenn der erzwungene Erfolg verboten oder sittenwidrig ist. Es genügt nach hM nicht, dass der Drohende keinen Anspruch auf die erstrebte WE hat.

C)     Auch wenn Mittel u. Zweck für sich allein Betrachtet nicht widerrechtlich sind, ihre Verbindung aber unter Berücksichtigung von Treu u. Glauben anstößig ist, weil die Einsetzung dieses Mittels zu diesem konkreten Zweck verwerflich ist, ist die Drohung rechtswidrig.

 

Ob die Mittel-Zweck-Relation anstößig ist, ist nach den Einzelumständen zu ermitteln. Grundsätzlich ist sie rechtswidrig, es sei denn:

 

1.        der Drohende hat einen Anspruch auf oder ein berechtigtes Interesse an der Abgabe der WE, und es besteht ein

2.        innerer Zusammenhang zwischen dem Mittel (angedrohten Übel) und dem Zweck (die Abgabe der WE zu erreichen)

 

Relevant zB bei dem Fall, wo jemand ein berechtigtes Interesse hat Sicherheiten bzgl. der Schulden zu erlangen, aber damit droht, er werde Strafanzeige erstatten.

 

Die Drohung muss vorsätzlich erfolgen. Der Drohende muss den Willen haben, Furcht zu erregen. Es reicht das der Drohende seine Drohung für geeignet hält, den Bedrohten zu einem bestimmten Verhalten zu veranlassen. Nicht erforderlich ist, dass der Drohende die Kenntnis der Widerrechtlichkeit hat.

 

Zur Frage, ob ein unverschuldeter Irrtum über die Tatsache, die die Rechtswidrigkeit der Drohung ergibt, die Rechtswidrigkeit ausschließt , folgender Fall:  

Ehemann H hat durch betrügerisches Verhalten ggü der B-Bank Kredite erschlichen. B verlangt von Frau H eine Bürgschaft; anderenfalls werde Strafanzeige gegen den Mann erstattet. H gibt eine schriftliche Bürgschaftserklärung ab. Später beruft sie sich auf die Drohung. Ist der Anspruch der B gerechtfertigt, wenn H von den Straftaten des Mannes keine Kenntnis hat und auch keine Vorteile dadurch erlangt hat, die Bank aber annehmen durfte, dass eine Beteiligung an den Straftaten vorliege, die Bank also gutgläubig war?

 

 Anspruch der B gegen H auf Zahlung gem. § 765

 

(1)    Wirksamer Bürgschaftsvertrag (+)

(2)    Verpflichtung besteht nicht, wenn H gem. § 123 anfechten kann.

(a)     Die Drohung, ihren Mann zu verurteilen, war ein empfindliches Übel. Daher ist sie durch Drohung zur Abgabe der Bürgschaftserklärung veranlasst worden.

(b)    Diese Drohung müsste Widerrechtlich gewesen sein

-            Trotz Rechtsmäßigkeit der Strafanzeige (Mittel) und Bürgschaftserklärung (Zweck), kann die Rechtswidrigkeit wegen einer anstößigen Zweck-Mittel-Relation gegeben sein.

Da H weder Straftaten begangen hat, noch beteiligt war u. auch keine Anspruche gegen H auf Zahlung bestanden, bestand kein Anspruch auf die Abgabe der Bürgschaftserklärungen. Ein berechtigtes Interesse an der Abgabe der Bürgschaftserklärung wäre nur dann gegeben, wenn die Ehefrau aufgrund ihrer Beteiligung an dem Geschäft ihres Mannes auch nur mittelbar aus dessen Strafbaren Verhalten Vorteile erlangt hätte. Dann wäre es gerechtfertigt gewesen, dass die Bank eine Bürgschaftserklärung für die Schulden des Mannes forderte. Da nach dem SV die Vorteilserlangung nicht nachweisbar ist, könnte die Widerrechtlichkeit der Drohung gegeben sein.

-            Doch die Bank ist ohne Verschulden davon ausgegangen, dass die Frau wegen ihrer Beteiligung an dem Geschäft ihres Mannes Vorteile aus Wechselreiterei erlangt hat. Sie hat also einen SV angenommen, der die Widerrechtlichkeit der Drohung ausschließt. (so eine Art ETBI)

 

aa) Die Rspr. nimmt in den Fällen des unverschuldeten Sachverhaltsirrtums an, dass die Widerrechtlichkeit der Drohung nicht gegeben sei. Danach scheidet eine Anfechtung nach § 123 aus.

 

bb) In der Lit. wird überwiegend die Auffassung vertreten, dass die Rechtswidrigkeit ausschließlich objektiv bestimmt werden müsse. Es werde keine Schuld des Drohenden vorausgesetzt. Sinn u. Zweck des § 123 sei es, die Willensfreiheit des Erklärenden zu gewährleisten. Danach ist die Drohung widerrechtlich. Frau H kann ihre Bürgschaftserklärung anfechten.

 

 

Die Durchführung der Anfechtung und die dadurch ausgelösten Rechtsfolgen

 

  

Die Anfechtung ist ein einseitiges, rechtsgestaltendes Rechtsgeschäft. Sie ist bedingungsfeindlich.

Zulässig ist aber eine Eventualanfechtung, d.h., eine Anfechtung für den Fall, dass das Rechtsgeschäft nicht den in erster Linie behaupteten Inhalt hat oder nicht ohnehin nichtig ist. Dabei handelt es sich nicht um eine Bedingung im Rechtssinne (= zukünftiges ungewisses Ereignis), die Anfechtung wird vielmehr unbedingt für den Fall erklärt, dass das Gericht einen bestimmten, objektiv bereits bestehenden Rechtszustand als vorliegend ansieht.

Eine Teilanfechtung kann erklärt werden, wenn das Rechtsgeschäft teilbar ist. An die Teilbarkeit sind die gleichen Anforderungen zu stellen wie bei § 139. Das nach der Abtrennung des nicht angefochtenen Teils verbleibende Rechtsgeschäft muss als selbständiges Rechtsgeschäft Bestand haben können.

Anfechtungsberechtigt ist grds. der Erklärende, in dessen Person die Rechtsfolgen der wirksam gewordenen WE eingetreten sind. Anfechtungsgegner ist gem. § 143 II i.d.R. der Vertragespartner, bei einseitigen empfangsbedürftigen WE der Empfänger der Erklärung, § 143 III und bei nicht empfangsbedürftigen WE derjenige, der aufgrund des Rechtsgeschäftes unmittelbar einen rechtlichen Vorteil erlangt hat, § 143 IV.

 

Sind mehrere Anfechtungsgegner vorhanden, so wirkt die Anfechtungserklärung ggü dem einen gem. § 139 auch gegen den oder die anderen, wenn ein Bestehenbleiben des Geschäfts allein mit dem Anfechtungsgegner, demgegenüber die Anfechtung nicht erklärt worden ist, nicht möglich ist u. das Geschäft bei Kenntnis der teilweisen Nichtigkeit mit ihm allein nicht abgeschlossen worden wäre.

 

Die Anfechtungserklärung muss unmissverständlich darauf schließen lassen, dass die WE wegen des Willensmangels – Irrtums- nicht gelten soll (Der Begriff „Anfechtung“ muss nicht verwendet werden). Nach hA braucht die Anfechtungserklärung nicht ausdrücklich den Anfechtungsgrund enthalten.  Der Anfechtungsgrund muss aber aus den Umständen hervorgehen.

 

Ein Anfechtung wegen arglistiger Täuschung kann die Anfechtung wegen Irrtums mitumfassen.

 

Die Anfechtungserklärung muss fristgerecht erfolgen: Die Anfechtung wegen Irrtums muss gem. §§ 119, 120 ohne schuldhaftes Zögern (unverzüglich) erklärt werden, nachdem der Anfechtungsberechtigte Kenntnis von dem Anfechtungsgrund erlangt hat, § 121. Die Anfechtung nach § 123 muss binnen eines Jahres erfolgen, vgl. § 124

BEACHTE: Auch wenn die Jahresfrist abgelaufen ist, bleibt ein Anspruch aus cic auf Aufhebung des Vertrages. 

 

In beiden Fällen ist die Anfechtung nach 30 Jahren ausgeschlossen (i.d.R. § 195 BGB)

 

Die Anfechtung darf nicht ausgeschlossen sein

 

1)       Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn der Anfechtungsberechtigte das Rechtsgeschäft bestätigt hat, § 144

 

Bestätigung ist jede Erklärung des Anfechtungsberechtigten, mit der er zum Ausdruck bringt, ein ihm bekanntes Anfechtungsrecht nicht auszuüben. Dies kann auch durch schlüssiges Verhalten bekundet werden (zB Annahme von Leistungen, freiwillige Erfüllung, Verlangen nach Nachbesserung). Das Anfechtungsrecht im Zeitpunkt der Bestätigung noch bestehen. Die Bestätigung ist eine nichtempfangsbedürftige WE, so dass sie auch ggü Dritte abgegeben werden kann. Sie setzt ein Bestätigungswillen u. damit die Kenntnis des Anfechtungsrechtes oder doch mindestens das Bewusstsein voraus, dass das Rechtsgeschäft fehlerhaft sein könnte. Die Bestätigung im Falle der Drohung setzt den Wegfall der Zwangslage voraus.

 

2)       Die Anfechtung kann nach Treu u. Glauben ausgeschlossen sein, § 242

 

a)       Wenn der Vertragspartner bereit ist, das Rechtsgeschäft mit dem vom Erklärenden gewollten Inhalt abzuschließen, so soll es nach hM bei dem Geschäft mit dem von dem Irrenden gemeint Inhalt verbleiben (str.).

b)       Der Verkäufer (Vermieter; Werkunternehmer) hat keinen Anfechtungsrecht, wenn die Anfechtung nur dazu dient, sich der Gewahrleistungspflicht zu entziehen.

 

 

Die Rechtsfolgen der Anfechtung

 

1)       Die Nichtigkeit der WE gem. § 142

 

Mit dem Zugang der Anfechtungserklärung ist die WE gem. § 142 von Anfang an nichtig (ex tunc), d.h., die Anfechtung kassiert, reformiert aber nicht.

Bei Verträgen ist nach hM nicht der gesamte Vertrag anfechtbar, sondern nur die einzelne, mit dem Mangel behaftete WE. Mit der wirksamen Anfechtung wird eine für den Vertrag erforderliche WE beseitigt, so dass auch der Vertrag hinfällig wird.

 

BEACHTE:

 

Wird ein Verfügungsgeschäft angefochten u. hat der Erwerber schon eine Verfügung zugunsten eines Dritten gemacht, so stellt sich diese wegen der Rückwirkung der Anfechtung als Verfügung eines Nichtberechtigten (vgl. § 185) dar. Bei der Prüfung eines gutgläubigen Erwerbs des Dritten ist § 142 II zu beachten, wonach die Kenntnis der Anfechtbarkeit mit der Kenntnis der Nichtigkeit der Verfügung gleichgestellt wird.

 

Die Anfechtung eines schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäftes lässt das dingliche Erfüllungsgeschäft unberührt.

Etwas anderes ergibt sich, wenn beide Rechtsgeschäfte auf einem einheitlichen Willensakt beruhen und beide an einem – u.U. demselben- Willensmangel leiden, d.h., sich als anfechtbar herausstellen (Fehleridentität).  In diesem Fall kann die Anfechtung beide Rechtsgeschäfte erfassen, wobei es nur einer Anfechtungserklärung bedarf.

 

Bei Gesellschafts- und Arbeitsverträgen , die in Vollzug gesetzt sind, führt die Anfechtung ausnahmsweise nicht zur Nichtigkeit von Anfang an.

 

a)       Im Gesellschaftsrecht gelten die Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft. Danach entfällt der angefochtene Gesellschaftsvertrag nicht ex tunc, sondern mit ex nunc Wirkung, d.h., bis zum Zeitpunkt des Willensmangels wird die Gesellschaft grds. wie eine fehlerfreie Gesellschaft behandelt.

b)       Die Anfechtung eines Arbeitsverhältnisses wirkt ebenfalls nicht auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses zurück. Die Anfechtung hat grds. nur ex nunc Wirkung, d.h., das Arbeitsverhältnis ist für die Vergangenheit grds. als wirksam zustande gekommen zu behandeln.

 

Ist eine wirksame Teilanfechtung erklärt, so ist der angefochtene Teil nicht. Die Teilnichtigkeit führt nach § 139 zur Gesamtnichtigkeit, wenn nicht anzunehmen ist, dass der „Restvertrag“ dem mutmaßlichen Willen der Parteien entspricht.

 

 

Ansprüche nach wirksamer Anfechtung

 

A)        Der Anfechtende muss bei §§ 119, 120 gem. § 122 Schadenersatz leisten (Vertrauensschaden). Vertrauensinteresse ist der Schaden, den der Geschädigte erleidet, weil er auf die Gültigkeit der nichtigen oder durch Anfechtung beseitigen WE vertraute. Erfüllungsinteresse ist dagegen der Schaden, der bei Gültigkeit der Erklärung u. ordentlicher Erfüllung der in ihr versprochenen Leistung vermieden worden wäre.

Bei dem Ersatzanspruch nach § 122 ist das Vertrauensinteresse der Höhe nach durch das Erfüllungsinteresse begrenzt. Die Ersatzpflicht entfällt, wenn der Geschädigte den Grund der Anfechtbarkeit kannte oder infolge Fahrlässigkeit nicht kannte, § 122 II. Hat der Geschädigte den Irrtum schuldlos mitveranlasst, kommt § 254 zur Anwendung.

 

B)         Sofern die Parteien eine infolge der Anfechtung unwirksamen Vertrages Leistungen ausgetauscht haben, müssen diese gem. § 812 zurückgewährt werden, weil der Empfänger diese Leistungen ohne Rechtsgrund erlangt hat.

C)        Im Falle der Anfechtung wegen arglistiger Täuschung oder Drohung kommen außerdem Schadensersatzansprüche des Anfechtenden aus cic, § 823 II iVm Schutzgesetzen (insb. §§ 263, 240 StGB) u. § 826 in Betracht.

 

 

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Die Nichtigkeit der WE

 

GESCHÄFTSFÄHIGKEIT

 

Die Geschäftsfähigkeit ist die Fähigkeit, durch Abgabe von WE Rechtsfolgen herbeizuführen.

Sie setzt ein bestimmte geistige Reife und Einsichtsfähigkeit voraus, vgl. §§ 2, 106 (18. Lebensjahr). Sondefälle: Ehefähigkeit und Testierfähigkeit, § 1 EheG u. § 2229 I.

 

A)     Die Geschäftsunfähigkeit

 

Eine geschäftsunfähige Person kann überhaupt keine wirksamen WE abgegeben. Die WE ist nach § 105 nichtig u. kann auch nicht vom gesetzlichen Vertreter genehmigt werden. Eine dem Geschäftsunfähigen abgegebene Erklärung wird erst wirksam, wenn sie dem gesetzlichen Vertreter zugeht, vgl. § 131 I !

Geschäftsunfähig ist derjenige, der das 7. Lebensjahr noch nicht vollendet hat oder sich nicht nur vorrübergehend in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistigkeit befindet, vgl. § 104 Satz 1 und 2.

 

Anerkannt ist die sog. partielle Geschäftsunfähigkeit für einen bestimmten gegenständlich abgegrenzten Kreis von Geschäften, wenn sich die Anomalie nur in bestimmten Lebensbereichen äußert.

 

Im Gegensatz zur partiellen Geschäftsunfähigkeit, die sich auf bestimmte Lebensgebiete bezieht, wird die sog. relative Geschäftsunfähigkeit für besonders schwierige Geschäfte von der hM abgelehnt. 

Es ist der hM zu folgen, da ansonsten eine Rechtsunsicherheit entstehen würde, wenn die Geschäftsfähigkeit einer Person  je nach der Schwierigkeit des Geschäftes abgestuft werden müsste.

 

Nach § 105 II ist auch die WE nichtig, die der Erklärende, ohne Geschäftsunfähig zu sein, im Zustand der Bewusstlosigkeit oder vorrübergehender Störung der Geistigkeit abgibt.

Beachte: Zugang einer WE – bei mündlicher Erklärung wird sie nicht wirksam, anders bei schriftlicher!

 

Fall: A besucht eine Bar und bestellt und bestellt...Später hat er die 3.250 DM nicht dabei. Er unterschreibt unter Verzicht auf jegliche Einwendungen ein Schuldanerkenntnis. Später verweigert er die Zahlung mit dem Argument, er sei beim Betreten der Bar betrunken gewesen und beim unterschreiben der Urkunde vollbetrunken gewesen. Es lässt sich nicht mehr feststellen, ob er noch eine freie Willensbestimmung hatte.

1) Anspruch des B gegen A auf Bezahlung aus einem Schuldanerkenntnis, § 781?

a)        Schuldanerkenntnis könnte gem. § 105 I nichtig sein, wenn A gem. § 104 Nr. 2 geschäftsunfähig war. Doch selbst wenn A vollbetrunken war, so war dieser Zustand bei A seiner Natur nach ein vorübergehender, der keine Geschäftsunfähigkeit zur Folge hatte.

b)       Nach § 105 II ist eine WE auch dann nichtig, wenn sie um Zustand vorübergehender Störung der Geistigkeit abgegeben wird und die freie Willensbestimmung ausgeschlossen ist.

Da nicht feststeht, ob die freie Willensbestimmung ausgeschlossen war, trägt derjenige das Risiko der Unaufklärbarkeit, der die Beweislast trägt. Der Anspruchsteller muss die normalen Entstehungsvoraussetzungen für den Anspruch beweisen. Der Anspruchsgegner (A) muss rechtshindernde und rechtsverhindernde Einwendungen, sowie Einreden beweisen. § 105 ist eine rechtshindernde Einwendung, für die der Anspruchsgegner die Beweislast trägt. Da A nicht beweisen kann, dass die freie Willensbestimmung bei der Abgabe der WE ausgeschlossen war, gilt sie als wirksam abgegeben.

c)       Ein abstraktes Schuldanerkenntnis, das von einem zur Barzahlung unfähigen Gast auf einem vom Wirt bereitgehaltenen Formular abgegeben wird, ist auch nicht nach § 11 Nr. 15 AGBG – Verbot der nachteiligen Beweislaständerung- ungültig. Zwar bewirkt das Anerkenntnis eine Beweislastumkehr, jedoch handelt es sich insoweit um ein eigenständiges Rechtsgeschäft, das gem. § 8 AGBG der Inhaltskontrolle entzogen ist.

d)       Nur in Ausnahmefällen ist die erstrebte Umkehr der Beweislast als Sittenwidrig zu werten. Für einen Verstoß gegen § 138 fehlt es aber hieran Anhaltspunkten.

2)       A ist auch gem. § 433 verpflichtet des KP zu zahlen, weil er sich bereiterklärt hat, für den von ihm bestellten Champagner den in der Bar üblichen Preis zu zahlen.

 

 

B)     Die beschränkte Geschäftsfähigkeit

 

Die ohne Mitwirkung des gesetzlichen Vertreters wirksamen Geschäfte:

 

-            lediglich rechtlich vorteilhaft, § 107

-            sog. neutrales Geschäft

-            Teilgeschäftsfähigkeit gegeben ist, §§ 112, 113

 

Der lediglich rechtliche Vorteil

 

Nach der hL darf keine wirtschaftliche Betrachtungsweise stattfinden, sondern die unmittelbaren rechtsgeschäftlichen Folgen zu beachten ist. Auch die mittelbaren Rechtsnachteile müssen außer Betracht bleiben, zB Vertrageskosten; steuerliche Abgaben etc...

Es empfiehlt sich bei der Beurteilung , ob eine Rechtsgeschäft lediglich vorteilhaft ist, zu unterscheiden zwischen den Verpflichtungsgeschäften, der Verfügung über Rechte und den einseitigen  Rechtsgeschäften.

 

1)       Bei den Verpflichtungsgeschäften ist lediglich der Schenkungsvertrag lediglich rechtlich vorteilhaft. Beachte: Auch Schenkung eines Grundstücks ist trotz Steuern etc...lediglich rechtlich vorteilhaft, da diese Nachteile lediglich mittelbare Folgen des Rechtsgeschäftes darstellen.

2)       Für das Verfügungsgeschäft gilt: Lediglich rechtlich vorteilhaft ist der Erwerb von Rechten, des Eigentums an Sachen, einer Hypothek, Grundschuld (er hat gem. §§ 1147, 1192 höchstens die Zwangsvollstreckung zu dulden; er kann nicht mehr verlieren als das Grundstück, eine persönliche Haftung scheidet aus); Forderung etc... Wird ein Belastetes Recht erworben, so ist zu unterscheiden: Führt die Belastung zu keiner persönlichen Verpflichtung des Minderjährigen, so ist das Rechtsgeschäft lediglich rechtlich vorteilhaft.

Beachte Klausuraufbau: A) Wirksamer Schenkungsvertrag? (+); B) Eigentümer geworden? (+)

3)       Bei einseitigen Rechtsgeschäften ist nur die Mahnung rechtlich vorteilhaft

 

 

Die neutralen Geschäfte

 

Zu den neutralen Geschäften zählen vor allem:

1)       WE, die vom bzw. gegenüber einem beschränkt Geschäftsfähigen als Vertreter eines anderen (§ 165) abgegeben werden, und zwar unabhängig vom Bestehen der Vertretungsmacht (Arg. § 179 III 2);

2)       Die Leistungsbestimmung gem. § 317 als am Vertrag Unbeteiligter

3)       Die Verfügung über fremde Rechte mit Ermächtigung (§ 185 I)

4)       Streitig ist, ob ein neutrales Geschäft auch im Fall der Übereignung einer fremden Sache mit der Folge des gutgläubigen Erwerbs vorliegt

 

zB Der 16jährige M hat sich von seinem Freund F ein Fahrrad geliehen. M verkauft das Fahrrad an den gutgläubigen D. Wäre M Eigentümer, wäre die Übereignung gem. 107 zustimmungsbedürftig gewesen. Bei der Verfügung als Nichtberechtigter soll nach hM ein neutrales Geschäft vorliegen, da der Eigentumsverlust als rechtlicher Nachteil allein den wahren Eigentümer treffe. Zwar ist der Minderjährige Ansprüche aus §§ 687 II, 682; 816 I, §§ 823 ff. ausgesetzt, diese Ansprüche ergeben sich jedoch nicht aus dem Inhalt des Rechtsgeschäftes (der Verfügung), sondern sind nur mittelbare Folge und daher für die Frage, ob das Rechtsgeschäft lediglich einen rechtlichen Vorteil hat, ohne Bedeutung.

aA: Die Gutglaubensvorschriften sollen den Erwerber nur so stellen, wie er bei Richtigkeit seiner Vorstellung stünde. also das M Eigentümer sei – es gibt kein guten Glauben bzgl. der Geschäftsfähigkeit. Dann hätte der D aber wegen § 107 kein Eigentum erworben  können!!!

 

Die Teilgeschäftsfähigkeit

 

1)       Nach § 112 ist der Minderjährige , wenn er vom gesetzlichen Vertreter mit Genehmigung des Vormundschaftsgerichts zum selbständigen Betrieb eines Erwerbsgeschäftes ermächtigt worden ist, für solche Geschäfte, die der Gewerbebetrieb mit sich bringt, unbeschränkt geschäftsfähig. Ausnahmen gelten für Geschäfte, die der gesetzliche Vertreter nur mit der Einwilligung des Vormundschaftsgerichts vornehmen darf, §§ 112 I 2, 1643, 1821 f. (!)

2)        Wenn der Minderjährige vom gesetzlichen Vertreter zur Eingehung eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses ermächtigt wird, so ist er gem. § 113 für solche Geschäfte unbeschränkt geschäftsfähig, welche die Eingehung oder Aufhebung eines dienst- oder Arbeitsverhältnisses der gestatteten Art oder die Erfüllung der sich aus einem solchen Verhältnis ergebenden Pflichten betreffen; dabei sind aber – wie in § 122 I 2- solche Geschäfte ausgenommen, zu denen der gesetzliche Vertreter der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts benötigt, § 113 I 2.

 

 

Die Wirksamkeit des Rechtsgeschäftes nach § 110

 

Das Geschäft eines beschränkt Geschäftsfähigen ist wirksam, wenn der Minderjährige die vertragsmäßige Leistung mit Mitteln bewirkt hat, die ihm zu diesem Zweck oder zur freien Verfügung von dem gesetzlichen Vertreter oder mit dessen Zustimmung von einem Dritten überlassen worden sind. Nach hL ist § 110 eine konkludente Einwilligung!

1)       Bewirken setzt voraus, dass der Minderjährige die gesamte Leistung mit den überlassenen Mitteln tatsächlich erbracht hat. Hinter dem Wort „Bewirkt“ ist ein „hat“ zu ergänzen.

a)        Hat der gesetzliche Vertreter dem beschränkt Geschäftsfähigen Geld zur Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel überlassen, so willigt er damit nicht die Benutzung der verkehrsmittel zu Schwarzfahrten ein, so dass der beschränkt Geschäftsfähige nicht auf Zahlung von Vertragsstrafen verpflichtet ist (str.).

b)       Nur bei erbringenden Teilleistungen mit selbständiger Bedeutung führt die Teilleistung zur Teilwirksamkeit des Geschäftes zB Abonnementsvertrag ist für den Zeitraum wirksam, für den die Leistungen erbracht worden sind.

2)       § 110 kann nur zur Anwendung kommen, wenn die Gegenstände, die zur Erbringung  der vertragsmäßigen Leistung verwendet worden sind, dem Minderjährigen zu diesem Zweck oder zur freien Verfügung überlassen worden sind.

a)         Soweit dem Minderjährigen Geld zur freien Verfügung überlassen worden ist, ist nicht jeder Vertrag, der mit diesem Geld erfüllt wird, wirksam. § 110 ist ein Sonderfall der Einwilligung. Wie weit diese reicht, muss im Wege der Auslegung ermittelt werden. Daraus können sich verschiedene Einschränkungen hinsichtlich des Verwendungszwecks des überlassenen Geldes ergeben.

zB darf sich der 10jährige keine Zigaretten kaufen

b)        Dem Minderjährigen ist auch nicht ohne weiteres gem. § 110 gestattet, über die Gegenstände zu verfügen, die er mit den freien Mitteln erworben hat.

zB M gewinnt 5000 DM im Lotto und kauft sich ein Pkw. Die Eltern können den Vertrag rückgängig machen, da hier § 110 nur in Betracht kommt und durch Auslegung ersichtlich ist, dass die Grenze der gewährten Freiheit überschritten wurde, da dass Surrogat den Wert der überlassenen Mittel erheblich übersteigt.

 

 

Gesetzliche Vertreter sind:

 

a)       Eltern, § 1643

b)       Vormund, 1793

c)       Betreuer, § 1902

 

Die Einwilligung gem. § 182  muss dem beschränkt Geschäftsfähigen oder dem anderen Teil ggü erklärt werden. Sie ist bis zur Vornahme des Rechtsgeschäftes frei widerruflich, § 183. Es ist auch ein sog. beschränkter Generalkonsens für ein Komplex von Geschäften, die mit einer bestimmten Art der Lebensbetätigung zusammenhängen zulässig. Wieweit diese Einwilligung geht, ist nach den konkreten Fall zu ermitteln. Eine unbeschränkte Einwilligung ist unwirksam.

 

Die ohne die Einwilligung getätigten Rechtsgeschäfte

 

a)        Das einseitige Rechtsgeschäft ist nach § 111 nichtig.

b)       Die vertragliche Einigung ist schwebend Unwirksam. Sie bedarf zu ihrer Wirksamkeit der Genehmigung des gesetzlichen Vertreters. Für die genehmigungsbedürftigen – schwebend unwirksamen- Verträgen gilt:

-            Der gesetzliche Vertreter kann die Genehmigung erteilen oder Verweigern, bevor ihm ein wirksamer Widerruf des anderen Teils zugegangen ist §§ 108, 109

-            Der Vertragspartner kann unter den Voraussetzungen des § 109  den Widerruf erklären

-            Der Minderjährige, der volljährig geworden ist, kann sein Einverständnis mit dem Rechtsgeschäft zum Ausdruck bringen, § 108 III

 

Für die Genehmigung gelten die §§ 182 ff.

a)        Die Genehmigung kann dem Vertragspartner oder dem Minderjährigen ggü erfolgen, § 182. Beachte § 108 II!

b)       Die Genehmigung bedarf nicht der Form, die für das Rechtsgeschäft vorgeschrieben ist, § 182 II

c)       Die Genehmigung wirkt gem. § 184 auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses zurück

d)       Wird die Genehmigung verweigert, so ist der Vertrag unwirksam und kann nur durch Neuvornahme Wirksamkeit erlangen.

 

Fall: V verkauft dem 17jährigen M eine Briefmarkensammlung für 1250 DM. M hat 500 DM angezahlt und die Sammlung erhalten. V, der die Familie nicht kannte, geht davon aus, dass die Eltern einverstanden seien. Die Eltern sind gegen das Geschäft und äußern sich auch dementsprechend. Doch nach der Durchsicht der Briefmarken erkannten sie, dass sie im Wert erheblich höher sind als 1250 DM. Als M die nächste Rate zahlt, erfuhr V von der Minderjährigkeit und forderte die Eltern auf, ihm mitzuteilen, ob sie einverstanden seien. Die E antworteten nicht, weil sie ja ggü M bereits ihr Einverständnis abgegeben haben.

Ist der KV zwischen M und V wirksam? Kann V die Sammlung zurückverlangen, nachdem er Kenntnis von dem wahren Wert erlangt hat?

A)     Wirksamer KV?

a)        Vertrag nicht lediglich rechtlich vorteilhaft; schwebend unwirksam (§ 107)

b)       Genehmigung der Eltern? Voraussetzung ist, dass die schwebende Unwirksamkeit noch bestand

(1)    Zunächst haben die Eltern dem M zu verstehen gegeben, dass sie nicht einverstanden  seien. Da gem. § 182 I die Genehmigung auch ggü dem M erteilt werden konnte, könnte dieses Verhalten der Eltern die Verweigerung der Genehmigung darstellen, so dass der Vertrag endgültig unwirksam sein könnte.

(2)    Doch die Genehmigung bzw. die Verweigerung der Genehmigung ist eine einseitige empfangsbedürftige WE, die eindeutig und endgültig erklärt werden muss, so dass kein  Zweifel darüber aufkommen kann, dass die bestimmt Rechtsfolge gewollt ist. Da die E die Briefmarken noch durchsahen, kann nach den Umständen davon ausgegangen werden, dass sie mit den Vorhaltungen noch keine endgültige Entscheidung treffen wollten. Daher haben die Eltern mit ihren Vorhaltungen den Vertrag nicht verweigert, so dass mit ihrem späteren Einverständnis der Vertrag wirksam geworden sein könnte.

c)       Durch die Aufforderung des V an die Eltern zur Erklärung über die Genehmigung ist die dem M bereits erklärte Genehmigung aber wieder rückwirkend unwirksam geworden, § 108. Da die E auf diese Aufforderung geschwiegen haben, gilt gem. § 108 II die Genehmigung als Verweigert. Der Vertrag ist endgültig unwirksam.

 

B)     Hat M das Eigentum an den Briefmarken erworben?

§ 929: Einigung: Erwerb des Eigentums = lediglich rechtlicher Vorteil. M ist auch unmittelbarer Besitzer geworden und V war Verfügungsberechtigter (+)

Beachte: Für den Übergang des Besitzes genügt die „natürliche Einsichtsfähigkeit“, die §§ 104 ff. finden keine Anwendung.

 

C)     Kann V die Sammlung herausverlangen?

a)        § 985 (-)

b)       § 812 (+)

 

 

Die Rechtsstellung des Vertragspartners bis zur Genehmigung

 

a)        Grunds. hat der Vertragspartner ein Widerrufsrecht gem. § 109 I. Abweichend von § 131 II kann der Widerruf auch ggü dem Minderjährigen selbst erklärt werden, § 109 I 2.

b)       Kein Widerrufsrecht besteht (§ 109 II):

-            bei Kenntnis der Minderjährigkeit (aber ausgeschlossen, wenn der M wahrheitswidrig die Einwilligung der Eltern behauptet)

-            bei Kenntnis vom Fehlen der Einwilligung bei Abschluss des Vertrages

 

Beachte: Die Aufforderung nach § 108 II schließt das Widerrufsrecht nicht aus, der Widerruf muss aber erst nach einer bestimmten Zeit nach der Aufforderung erfolgen.

 

 

Die Beschränkung und der Ausschluss der gesetzlichen Vertretung

 

Der gesetzliche Vertreter ist nicht befugt, den Geschäftsunfähigen oder beschränkt Geschäftsfähigen uneingeschränkt zu vertreten.

 

a)               Zur Wirksamkeit des Rechtsgeschäftes kann die Genehmigung des Vormundschaftsgerichtes erforderlich sein, §§ 1821, 1822, 1643

b)              Damit die in §  1795 (§ 1629) aufgeführten Geschäfte wirksam sind, muss gem. § 1909 ein Ergänzungspfleger bestellt werden, der das Rechtsgeschäft vornimmt oder das vom gesetzlichen Vertreter getätigte Rechtsgeschäft genehmigt.

 

Die Beschränkung der Vertretungsmacht: Der Vormund bedarf zu den in den §§ 1821, 1822 aufgeführten Rechtgeschäften der; für die Eltern gelten diese Beschränkungen nur für Genehmigung des Vormundschaftsgerichts die in § 1643 in bezug genommenen Rechtsgeschäfte.

 

In der Praxis ist es üblich, den Vertragsentwurf vor Abschluss des Vertrages dem Vormundschaftsgerichts zur Billigung vorzulegen.

zB Eltern eines 14jährigen Sohnes wollen sein Grundstück verkaufen: § 433 und §§ 873, 925 müssen vom Vormundschaftsgericht genehmigt werden vgl. §§ 1643, 1821 Ziff. 4 und 1. (!) 

Beachte: §§ 1829, 1828, 1829

I.d.R. wird ein Vertragsentwurf vor dem Notar gefertigt und dem Gericht zur Billigung eingereicht und dann vor dem Notar der KV und die Auflassung formgerecht erklärt.

 

Der Umfang der gesetzlichen Vertretungsmacht muss unter Berücksichtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Minderjährigen bestimmt werden, so dass der gesetzliche Vertreter nicht berechtigt ist, Rechtsgeschäfte zu tätigen, die den Minderjährigen auch nach Eintritt der Volljährigkeit so belasten, dass seine wirtschaftliche Bewegungsfreiheit ausgeschlossen bzw. erheblich beeinträchtigt ist. (so das BVerfG)

 

Der Vormund darf den nicht voll Geschäftsfähigen in den im § 1795* aufgeführten Fällen nicht vertreten. Über § 1629 II gilt diese Vorschrift auch für die Eltern.

* Die Eltern sind von der Vertretung bzgl. der Rechtsgeschäfte zwischen ihren Kindern ausgeschlossen vgl Ziff. 1!!!

 

 

Das Insichgeschäft des gesetzlichen Vertreters gem. § 181

 

Der gesetzliche Vertreter darf nicht auf beide Seiten des Rechtsgeschäfts mitwirken, es sei denn:

 

a)        dieses geschieht in Erfüllung einer Verbindlichkeit (§ 108) oder

b)        das Rechtsgeschäft ist lediglich rechtlich vorteilhaft für den beschränkt Geschäftsfähigen.

 


Besonderheiten gelten, wenn zur Erfüllung eines wirksamen Schenkungsvertrages ein belasteter Gegenstand übertragen wird der eine persönliche Verpflichtung des beschränkt Geschäftsfähigen begründet.

 

Fall: Der verwitwete V schließt mit seinem minderjährigen Sohn einen notariellen Schenkungsvertrag über ein Hausgrundstück, das mit einer Grunddienstbarkeit zugunsten des G belastet und fünf Jahre am M vermietet ist. Nach Auflassung des V an S, vertreten durch V, wird S eingetragen. Ist S Eigentümer?

S hat mit der Eintragung gem. §§ 925, 873 das Eigentum erworben, wenn die Auflassung des V an S, vertreten durch V, wirksam ist. Hier § 181: V hat auf beiden Seiten der Auflassung als Veräußerer einerseits und auf der Erwerbsseite als gesetzlicher Vertreter gehandelt.

Der Wirksamkeit der Auflassung steht § 181 nicht entgegen, wenn das Rechtsgeschäft – die Auflassung – ausschließlich in der Erfüllung einer Verbindlichkeit besteht. (vgl. § 181)

Die Übereignung V – S erfolgte um die Verbindlichkeit des V aus dem Schenkungsvertrag zu erfüllen, der zustande gekommen sein könnte (Verpflichtungsgeschäft), wenn er für S lediglich rechtlich vorteilhaft ist (§ 1643: Vater darf nicht ohne das Vormungsschaftsgericht genehmigen!).

 

a)        Eigentumserwerb an der Grunddienstbarkeit ist lediglich rechtlich vorteilhaft, da nach hM keine persönliche Verpflichtung entsteht.

b)       Aber § 571: Nach hA muss der Eintritt des S in den Mietvertrag verhindert werden, um keine persönliche Verpflichtung entstehen zu lassen, anderenfalls werde die gesetzliche Wertung der §§ 107, 181, 1822 Ziff. 5, 1643 mißachtet. (Eigentumserwerb und Vermieterverpflichtung sind untrennbar miteinander verbunden und beruhen auf den sachenrechtlichen Rechtsgeschäft.)

 

(1)    Nach überwiegender Ansicht hat eine Gesamtbetrachtung des schuldrechtlichen und dinglichen Rechtsgeschäftes zu erfolgen. Bereits bei der Beurteilung der Wirksamkeit des Schenkungsvertrages sind die Folgen des dinglichen Rechtsgeschäftes zu berücksichtigen. Ergibt sich dabei, dass die Erfüllung des an sich lediglich rechtlich vorteilhaften Verpflichtungsgeschäftes rechtliche Nachteile für den Minderjährigen mit sich bringt, dann ist bereits das zugrundeliegende Verpflichtungsgeschäft nicht lediglich rechtlich vorteilhaft. Rechtliche Nachteile der dinglichen Erfüllung schlagen also auf das Verpflichtungsgeschäft durch.

(2)    Ein Teil der Lit. lehnt diese Auffassung ab, weil die Gesamtbetrachtung gegen das Abstraktionsprinzip verstoße. Der Minderjährigenschutz sei in der Weise zu gewährleisten, dass der letzte HS des § 181 nicht anwendbar sei, wenn das Erfüllungsgeschäft dem Minderjährigen nachteilig iSv § 107 sei (teologische Reduktion).

(Hiernach ist aber die Übereignung unwirksam)

 

Ergebnis: S hat kein Eigentum erworben.

 

 

Die §§ 828, 829

 

Die Wirksamkeit der Rechtshandlungen des beschränkt Geschäftsfähigen

 

a)        Nach § 828 I ist der beschränkt Geschäftsfähige für einen Schaden, den er einem anderen zufügt, nicht verantwortlich, wenn er bei der Begehung der schädigenden Handlung nicht die zur Erkenntnis der Verantwortlichkeit erforderliche Einsicht hat.

b)       Ob der beschränkt Geschäftsfähige einen Haftungstatbestand erfüllen kann, der die Bösgläubigkeit voraussetzt, muss in analoger Anwendung der §§ 107, 108 oder des § 828 II entschieden werden. Geht es im Rahmen eines EBV um die Rückabwicklung eines nach §§ 107 ff. unwirksamen Vertrages kommt es grsd. auf die Bösgläubigkeit des gesetzlichen Vertreters an.

c)       Der in der Geschäftsfähigkeit beschränkte kann grsd. Besitzer sein, weil er die erforderliche Einsichtsfähigkeit in die Bedeutung der tatsächlichen Sachbeziehung hat.

d)       Der beschränkt Geschäftsfähige kann durch Aufnahme ernsthafter Vertragsbeziehungen kein vorvertragliches Schuldverhältnis begründen, sofern der gesetzliche Vertreter nicht zugestimmt hat. Der beschränkt Geschäftsfähige haftet also nicht aus cic.

e)        Der Schuldner, der an den in der Geschäftsfähigkeit Beschränkten die geschuldete Leistung erbringt, wird von seiner Leistungsverpflichtung nur befreit, wenn der gesetzliche Vertreter zustimmt. Der beschränkt Geschäftsfähige kann zwar – soweit es für ihn rechtlich vorteilhat ist – den zu leistenden Gegenstand erwerben, er kann das geschuldete Eigentum, die geschuldete Grundschuld oder Forderung erwerben. Doch geht mit diesem Erwerb der Erfüllungsanspruch aus dem Schuldverhältnis nicht unter, weil dieser Untergang der Leistungsverpflichtung für ihn rechtlich nachteilig ist. Die Begründung ist umstritten. Die hM wendet die §§ 107, 131 und verneint die Empfangszuständigkeit des in der Geschäftsfähigkeit Beschränkten.

 

Für die Rechtshandlungen des Geschäftsunfähigen gilt:

 

a)        Die Verantwortlichkeit des Geschäftsunfähigen für unerlaubte Handlungen bestimmt sich nach §§ 828 I, 829.

b)       Der Geschäftsunfähige kann Besitz erwerben, wenn er die für die Ausübung der Sachherrschaft erforderliche Einsichtsfähigkeit hat.

c)       Er kann kein vorvertragliches SchuldV. begründen.

d)       Er kann keine Leistung als Erfüllung entgegennehmen.

 

 

DIE VERTRETUNG GEM. §§ 164 FF.

 

3 Personen:

 

1.        Der Vertreter, der die WE im fremden Namen abgibt, der also das Rechtsgeschäft mit einem anderen tätigt (Aktivvertretung gem. § 164 I) oder die WE des anderen entgegennimmt (Passivvertretung gem. § 164 III)

2.        Der Vertretene (GH), bei dem die Rechtsfolgen der abgegebenen WE eintreten sollen und auch tatsächlich eintreten, wenn der Vertreter die entsprechende Vertretungsmacht besaß.

3.        Der Partner (Dritte), dem gegenüber der Vertreter im fremden Namen das Rechtsgeschäft tätigt, also den Verpflichtungsvertrag abschließt, die Einigung über die erstrebte Rechtsänderung erzielt oder das einseitige Rechtsgeschäft vornimmt.

 

Immer die TRENNUNG ZWISCHEN:

1.        Vollmacht (Innenvollmacht und Außenvollmacht)

2.        Innenverhältnis (Auftrag, Dienstvertrag, etc...)

3.        Vertretergeschäft

VOR AUGEN HALTEN!

 

 

Die Zulässigkeit der Vertretung

 

Alle Rechtsgeschäft, die nicht höchstpersönlich vorzunehmen sind (z.B. Eheschließung gem. § 13 EheG; Einrichtung einer Verfügung von Todes wegen gem. § 2064 BGB)

Beachte: Parteien können vereinbaren, dass die zwischen ihnen vorzunehmenden Geschäfte höchstpersönlich sein sollen, sog. gewillkürte Höchstpersönlichkeit.

 

Eigene WE im fremden Namen: Der Vertreter muss zum Ausdruck bringen, dass die Rechtsfolgen eine andere Person treffen sollen. Versäumt er die Fremdbestimmung wirkt seine WE für und gegen ihn gem. § 164 II. Vertreter ist nur, wer eine eigene WE abgibt.

Er entscheidet i.d.R. über das „ob“ und „wie“ des Rechtsgeschäftes (Abgrenzung zum Boten).

 

Beachte: Gem. § 165 kann Vertreter auch eine in der Geschäftsfähigkeit beschränkte Person sein. Bote kann sogar ein Geschäftsunfähiger sein, wenn er zur Überbringung der Erklärung in der Lage ist!

 

Abgrenzung Bote / Vertreter:

Bote ist derjenige, von dem der Geschäftspartner den Eindruck haben muss, er nehme nur eine Übermittlungsfunktion wahr (hM: Das äußere Auftreten ist entscheidend). Gibt der Handelnde dagegen zu erkennen, dass er eine eigene, selbständig formulierte WE abgibt, so liegt eine Vertretung selbst dann vor, wenn dem Vertreter diese WE im Innenverhältnis in allen Einzelheiten vorgegeben war. Entscheidend ist, wie der Handelnde tatsächlich aufgetreten ist.

 

Vertretung auch bei der sog. „gebundenen Marschroute“

 

Vertreter ist der Handelnde nach hM auch dann, wenn er das ihm vom GH aufgetragene inhaltlich bestimmte Rechtsgeschäft als Vertreter tätigt.

z.B.: V erteilt dem B eine Vollmacht, mit dem V eine Auflassung zu tätigen. B tut genau das was V sagt: Datum, Sätze; .....Wäre B nur Bote, dann wäre die Auflassung gem. § 935 nichtig, da die beiden Parteien beim Notar anwesend sein müssen.

 

Der Handelnde tritt nicht so auf, wie ihm aufgetragen worden ist

 

Tritt der Handelnde weisungswidrig auf, dann ist zu fragen, ob das getätigte Rechtsgeschäft von seiner Boten- oder Vertretungsmacht gedeckt ist.

 

Das getätigte Rechtsgeschäft wird von der Boten- bzw. Vertretungsmacht gedeckt

 

a)        Sollte der Handelnde als Vertreter auftreten, ist jedoch als Bote in Erscheinung getreten, dann wirkt die WE trotzdem gegen den GH, wenn die Rechtsfolgen, die ausgelöst werden sollten, die gleichen sind. Obwohl hier weder der GH (er hat die WE nicht formuliert) noch der Handelnde (er hat keine eigene, sondern eine vermeintlich fremde WE abgegeben) eine WE abgegeben hat, wird eine Bindung des GH angenommen, da es ihn nicht darauf ankommt wie das Rechtsgeschäft zustande kommt.

b)       Wenn der Handelnde als Bote auftreten sollte, er aber nach außen als Vertreter aufgetreten ist, so wirkt die WE ebenfalls für und gegen den GH, wenn der Handelnde bzgl. des Inhalts des Rechtsgeschäftes weisungsgemäß tätig geworden ist. Aus der Botenmacht ergibt sich zugleich die Vertretungsmacht!; § 177 (-).

 

Das getätigte Rechtsgeschäft wird von der Boten- bzw. Vertretungsmacht nicht gedeckt

 

a)        Tritt der als Bote eingesetzte Mittler als Vertreter auf und weicht er von der vom GH vorformulierten WE ab, so handelt er als Vertreter ohne Vertretungsmacht gem. §§ 177 – 179.

b)       Handelt der Vertreter als Bote und wird das Handeln nicht von der Vertretungsmacht gedeckt, so sind die Regel der §§ 177 – 179 nach hM entsprechend anwendbar, unabhängig davon, ob er bewusst von der ihm erteilten Vollmacht abweicht oder ob eine Beauftragung als Bote ganz fehlt.

 

Fall: H ist in begrenzten Umfang ermächtigt für V Autos zu verkaufen. K verhandelt in Namen des V mit K über den Verkauf eines BMW. Es kommt zu keiner Einigung. Später ruft H bei K an und sagt, dass V gesagt habe, er solle K sagen, der Wagen werde nach den vorgeschlagenen Bedingungen verkauft, obwohl dies eine Lüge war und K überhaupt keine ausreichende Vertretungsmacht dafür besaß.

(1)    Einigung V – K unter Einschaltung des H

H hat als Bote des V das vermeintliche Verkaufsangebot überbracht

(2)    Die WE des K wirkt nicht gegenüber V, weil dem K keine Botenmacht eingeräumt worden ist und der Abschluss des KV von der Vollmacht nicht gedeckt war.

(3)    Es gelten nach hM die §§ 177 – 179 und nicht § 120 (Möglichkeit der Anfechtung durch den GH), unabhängig davon, ob in diesen Fällen der als Bote Auftretende die Vollmacht überschritten hat oder überhaupt keine Beauftragung vorlag, der Bote also als Pseudobote tätig geworden ist.

a)        Fehlt die Beauftragung als Bote (wie in casu), so kann § 120 nicht angewandt werden, weil es an der für § 120 erforderlichen Veranlassung durch den GH fehlt.

b)       Weicht der Bote bewusst von dem Auftrag ab, so kann § 120 nicht zur Anwendung kommen, weil diese Vorschrift voraussetzt, das eine Erklärung übermittelt worden ist.

 

Tritt der Vertreter als Bote auf und weicht er unbewusst von der ihm erteilten Vollmacht ab, so gilt nach § 120 BGB: Die WE wird dem GH zunächst zugerechnet, kann jedoch mit der Folge der Haftung nach § 122 angefochten werden.

 

Fazit:

Wenn das Rechtsgeschäft nicht von der Boten- oder Vertretungsmacht gedeckt ist, gilt:

1)       Der Bote tritt als Vertreter auf: §§ 177 – 179

2)       Der Vertreter tritt bewusst als Bote auf: §§ 177 – 179 analog

3)       Der Vertreter tritt unbewusst als Bote auf: § 120

 

Das Handeln im fremden Namen gem. § 164

 

Es gilt das Offenkundigkeitsprinzip: Der Handelnde muss zu erkennen geben, dass die Rechtswirkungen eine andere Person treffen sollen.

Tritt der Wille, im fremden Namen zu handeln, nicht erkennbar hervor, so wird der Erklärende selbst verpflichtet. Der Handelnde kann dann seine WE nicht Anfechten vgl. § 164 II.

 

Anforderungen: Der Name des Vertretenen braucht nicht genannt zu werden. Es genügt, dass der Vertreter zum Ausdruck bringt „hinter mir steht jemand“, so das sich die andere Vertragspartei zwei Personen gegenüber sieht. Die Offenkundigkeit kann sich aus den Umständen ergeben, vgl. § 164 I 2.

 

Das Handeln für einen noch zu benennenden Dritten

 

Fall: X kauft von A formgerecht ein Grundstück für einen noch zu benennenden Käufer. Später findet X den B, der in den KV „einsteigen“ soll. X teilt den A mit, B werde das Grundstück erwerben. (Beachte: Abstraktionsprinzip!)

A fragt, von wem er den KP bekommt?

A kann gem. § 433 den KV von B verlangen, wenn X den KV wirksam als Vertreter des B geschlossen hat.

a)        X hat zwar beim Vertragsschluss den Käufer nicht genannt, es wird aber für zulässig erachtet, das der GH im Zeitpunkt der Abgabe der WE noch nicht feststeht und noch benannt werden soll. Es war auch ersichtlich, dass X nicht für sich selbst, sondern für einen anderen die Erklärung abgab. Durch die spätere Benennung des Dritten wird der GH festgelegt. Es muss aber im Vertrag festgestellt werden, aufgrund welcher Umstände die nachträgliche Bestimmung erfolgen soll.

 

Demnach hat X die Vertragserklärungen im Namen des B abgegeben.

 

b)       X war zwar beim Abschluss des Vertrages nicht berechtigt für B zu handeln, er hat aber dem X nachträglich Vertretungsmacht eingeräumt, als er in den Vertrag „einstieg“ (hM: Keine nachträgliche Genehmigung iSd § 177). KV zwischen A und B (+). A kann von B den KP verlangen.

 

Ist undeutlich, für wen der Vertreter gehandelt hat, so muss im Wege der Auslegung ermittelt werden, mit wem das Rechtsgeschäft zustande kommt.

 

Fall: G beauftragt V für ihn Holz, das er von E gekauft hat und noch im Wald liegt weiterzuveräußern. V schließt als Beauftragter des Eigentümers mit K einen KV über das Holz. Als K das Holz abfahren will, hindert ihn E daran. Er beruft sich auf sein Eigentum, da G noch nicht den KP gezahlt hat. Wer ist Vertragspartner des K?

 

a)        KV zwischen G und K, wenn V wirksam als Vertreter des G die Einigungserklärung zum Zustandekommen des KV abgegeben hat.

(1)    K brachte zum Ausdruck er handele für den Eigentümer – das war E -, andererseits für den Auftraggeber – das war G-. Die beiden genannten Merkmale weisen also auf zwei verschiedene Personen hin.

Unter Berücksichtigung von Treu und Glauben und der Verkehrssitte musste K die Erklärung des V so verstehen, dass dieser im Namen desjenigen handelte, der sein Auftraggeber war und den der V für den Eigentümer hielt.

(2)    Vertretungsmacht des V (+)

b)       Tatsache ist aber, dass E Eigentümer ist und nicht G: Leistungsverpflichtung des G ist gem. § 275 untergegangen. Doch kann K gem. § 325 Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen.

 

 

Der Vertreter braucht nicht den – inneren- Willen zu haben, das Rechtsgeschäft für einen anderen zu tätigen.

 

Fall: G bittet V einen bereits besichtigten Mercedes bei A zu kaufen, falls dieser keine Mängel aufweise. G ruft bei A an und verständigt ihn davon, dass A bald vorbei käme. V will den Wagen für sich selbst erwerben. Er erzählt A, er kaufe den Wagen und hole ihn ab. Zwischen wem ist der KV zustande gekommen?

 

KV zwischen G und A, wenn V wirksamer Vertreter des G war:

a)        Handeln des V in fremden Namen? Der äußere Erklärungstatbestand ließ aus der Sicht des A nur den Schluss zu, V wolle nicht für sich, sondern für G erwerben. (+)

b)       Dass V nicht den inneren Willen hatte, für G zu erwerben, ist unerheblich. Sofern der wahre Wille nicht erkannt wird, ist allein sein äußeres Erscheinen maßgebend.

c)       Vertretungsmacht des V (+): Beauftragung des V = Innenvollmacht gem. § 167 I 1. Alt. und  Kundgabe an A vgl. § 171 I 1. Alt.

 

KV zwischen G und A (+)

 

Da V die Kaufpreisvertragserklärungen im eigenen Namen abgeben wollte, also eine andere Erklärung abgegeben hat, als er beabsichtigte, könnte er gem. § 119 I zur Anfechtung der Kaufvertragserklärung berechtigt sein.

 

(1)    Nach der Rpsr. kann der Vertreter, der ein eigenes Rechtsgeschäft tätigen wollte, aber nach außen den Anschein gebracht hat, ein fremdes Geschäft tätigen zu wollen, seine WE nicht anfechten. Ein Umkehrschluss zu § 164 II ergebe, dass der Wille, im eigenen Namen zu handeln, ebenso wie der Wille, im Namen des anderen zu handeln, unbeachtlich sei, sofern dies nach außen zum Ausdruck käme.

(2)    In der Lit. wird dagegen die Auffassung vertreten, dass die WE irrtumsbedingt und daher gem. § 119 anfechtbar sei. Die Vorschrift des § 164 II sei eine nicht analogiefähige Ausnahmevorschrift.

Umstritten ist aber, wem das Anfechtungsrecht zusteht!

 

 - Gegen die Gewährung eines Anfechtungsrechtes spricht die mangelnde Schutzbedürftigkeit des Vertretenen wie des Vertreters. Hatte der Vertreter keine Vertretungsmacht, so ist der Vertretene schon deswegen nicht schutzwürdig, weil er nicht an die Erklärung gebunden ist. Hatte er ihm jedoch Vertretungsmacht eingeräumt, so hat der Vertretene dem Geschäft zugestimmt, so das nicht einzusehen ist, weshalb dem Vertretenen ein Anfechtungsrecht zustehen soll.

 

Ebenso ist der Vertreter nicht schutzwürdig. Da bei ihm ein Nachteil nur bei fehlender Vertretungsmacht eintritt, ließe sich die Erforderlichkeit der Anfechtung allenfalls mit der dann bestehenden Haftung begründen. § 164 gibt aber der Rechtssicherheit den Vorrang. Will der Vertreter im fremden Namen handeln, tut er dies aber nicht erkennbar nach außen, so versagt § 164 II ein Anfechtungsrecht. Der Vertreter ist selbst zur Erfüllung verpflichtet. Nichts anderes kann gelten, wenn der Vertreter im eigenen Namen handeln wollte, nach außen aber als Vertreter aufgetreten ist.

 

Fehlt im die Vertretungsmacht, so haftet er ebenso gem. § 179 I auf Erfüllung bzw. auf den Erfüllungsschaden.

 

V kann seine Erklärung nicht anfechten (-).

 

 

Die Einschränkungen des Offenkundigkeitsprinzip

 

1.        Es besteht Einigkeit über die Vertragspartei

2.        Oder es ist dem Vertragspartner gleichgültig, mit wem er das Rechtsgeschäft tätigt.

 

1.       Einigkeit über die Vertragspartei (s.o.: letzter Fall)

 

Bei unternehmensbezogenen Geschäften wird im Zweifel der Betriebsinhaber Vertragspartner und nicht der für das Unternehmen Handelnde.

 

2.       Das Geschäft für den, den es angeht

 

Fall: G beauftragt seinen Freund V bei A ein Rad zu erwerben. Er übergibt ihm 3.000 DM in Bar. V kauft das Rad und zahlt. Wer wird Eigentümer im Zeitpunkt der Übergabe des Rades an V? Zwischen wem ist der KV zustande gekommen?

 

(A)   Wer ist Eigentümer geworden?

 

G hat gem. § 929 das Eigentum erworben, wenn zwischen ihm und A eine Einigung (Abgabe und Annahme des Angebots) über den Eigentumswechsel vorliegt und A den Besitz an dem Fahrrad auf ihn übertragen (vgl. § 868 reicht für § 929 aus; Achtung: keine Vertretung möglich) hat.

 

a)        Die Einigung kann nur in der Weise zwischen G und A erzielt worden sein, dass A ein Angebot an G (vertreten durch V vgl. § 164 III) abgegeben hat und

V dieses als Vertreter des G angenommen hat.

 

(1)    A brachte mit der Übertragung des Rades an V den Ausdruck, dass er zum Zwecke der Erfüllung des KV das Eigentum übertragen wollte, und zwar war es ihm , mit Rücksicht darauf, dass er den KP sofort bekam, gleichgültig, ob V oder ein Dritter das Eigentum an dem Rad erwarb. Er hat ein Einigungsangebot an den, den es angeht abgegeben. Da V die Erklärung nicht im fremden Namen abgegeben hat, ist der TB des § 164 an sich nicht verwirklicht. Doch A hat ein Einigungsangebot an den, den es angeht, abgegeben, so dass es ihm nicht darauf ankam zu wissen, wer mit der Übergabe das Eigentum erwarb. Die Vertreterregeln finden Anwendung.

 

(2)    Dieses Einigungsangebot hat V angenommen. Die Annahme wirkt für und gegen G, wenn V wirksam als Vertreter des G diese WE abgegeben hat. Auch hier gilt das oben über das „Geschäft für den, den es angeht“ gesagte.

 

b)       Die Fremdwirkung tritt aber nur ein, wenn der Vertreter den Willen hat, die Sache für einen anderen zu erwerben. Nicht ausreichend ist lediglich der innere Wille des Handelnden, vielmehr muss sich der „Fremdwirkungswillen“ irgendwie objektiviert haben, so dass er für einen mit den Verhältnissen vertrauten Dritten erkennbar wird.

Indizien dafür kann insbesondere das Innenverhältnis zwischen Vertretenen und Vertreter ergeben. Hier liegt ein Auftrag vor, so dass der Fremdbezug zu bejahen ist.

 

c)       V hat eine entsprechende Vertretungsmacht gehabt (+)

 

d)       Die Übergabe gem. § 929, 1 ist erfolgt, weil der Veräußerer A den Besitz auf den Erwerber G übertragen hat. Zwar hat G nicht unmittelbaren Besitz erlangt, doch für § 929, 1 ist es ausreichend, wenn der Erwerber mittelbarer Besitzer wird. Das ist hier gegeben, weil zwischen G und V ein wirksames Besitzmittlungsverhältnis gem. § 868 bestand. Es bestand nämlich ein Auftragsverhältnis, das dem G einen Herausgabeanspruch gem. § 667 gegen V gewährte, und V hatte auch den Fremdbesitzerwillen.

 

G hat das Eigentum erworben, als A dem V das Rad aushändigte.

 

(B)   Zwischen wem ist der KV zustande gekommen?

 

Nach hA können die Grundsätze des Geschäftes für den, den es angeht, auch auf schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäfte angewendet werden, insbesondere bei Kauf im Warenhaus und wenn der KP in Bar entrichtet wird.

 

Daher ist der KV zwischen G und A zustande gekommen (+)

 

 

Das Handeln unter fremden Namen

 

Wenn der Erklärende bei Abgabe einer WE einen anderen Namen verwendet, er also nicht im fremden Namen, sondern unter Verwendung eines fremden Namens handelt, so ist zu unterscheiden, ob lediglich eine Namenstäuschung oder eine Identitätstäuschung vorliegt.

 

A)     Wird lediglich über den Namen getäuscht, so wird der Erklärende aus der von ihm abgegebenen WE berechtigt und verpflichtet (irrelevant). z.B. A gibt sich bei der Reservierung als Graf X aus. Für den Hotelangestellten war es irrelevant, er wollte nur mit der ihm gegenüberstehenden Person einen Vertrag abschließen. Vertrag A – H (+)

 

B)      Wenn eine Identitätstäuschung vorliegt und der Vertragspartner diesen Vertrag gerade nur deswegen abgeschlossen hat, weil er mit dem wahren Namensträger abschließen wollte, so wird dieses Handeln unter fremden Namen dem Handeln im fremden Namen gleichgestellt. In den Fällen der Identitätstäuschung hätte der Vertragspartner den Vertrag bei Kenntnis des wahren Namens des Erklärenden nicht abgeschlossen.

 

Fall: V Bruder des G kauft für 4.500 DM bei P ein. Er stellt sich vor als Kaufmann G und bittet die Rechnung an seine Adresse G zu senden. Kann P Zahlung von G verlangen?

 

a)        Anspruch des P aus § 443 II, wenn zwischen G und P ein wirksamer KV zustande gekommen ist.

 

(1)    Einigungserklärung zwischen P und V

(2)    Diese Einigung wirkt für und gegen G, wenn V als sein Vertreter mit Vertretungsmacht gehandelt hat oder als Vertreter ohne Vertretungsmacht tätig geworden ist und G das Geschäft gem. § 177 genehmigt hat.

 

aa) Dann müsste V im Namen des G aufgetreten sein. Zwar hat V den Namen des G verwendet, aber nicht zum Ausdruck gebracht, G sei eine von ihm verschiedene Person. P ist vielmehr davon ausgegangen, das G und nicht V der Erklärende sei. Hier ist über den Vertragspartner keine Einigkeit erzielt worden. Ein Handeln im fremden Namen liegt nicht vor. V ist als G und damit unter dessen Namen aufgetreten.

Anders als bei der bloßen Namenstäuschung kam es dem P darauf an, mit dem ihn bekannten vermögenden G ein Vertrag abzuschließen. Bei der Identitätstauschung gelten die §§ 164 ff. nach hM analog.

 

Nach dem Normenzweck der §§ 177 ff. soll der wahre Namensträger die Möglichkeit haben, das Geschäft für ihn zu genehmigen. Hier (-)

 

Wird die Genehmigung verweigert, so haftet V analog § 179 I als Vertreter ohne Vertretungsmacht auf Erfüllung, d.h., er und nicht G muss den KP bezahlen.

 

Anmerkungen:

I.                        Nach hM gilt entsprechendes für die Unterzeichung einer Urkunde mit dem Namen des GH, wenn der Vertragspartner von der Identität des Unterzeichners mit dem Namensträger ausgeht.

II.                     Ebenso ist die Fälschung zu beurteilen. Zwar gibt der Erklärende, anders als beim Handeln unter fremden Namen, nicht vor, ein anderer zu sein, sondern will den Eindruck hervorrufen, der andere habe selbst gehandelt. Die Interessenlage ist aber ähnlich wie bei der Identitätstäuschung, so dass die § 164 ff, insb. die §§ 177 ff. analog gelten.

 

 

Keine eindeutige „Fremdbestimmtheit“, § 164 II

 

Versäumt es der Erklärende, seinen Willen, für einen anderen zu handeln, zum Ausdruck zu bringen, so wird er persönlich verpflichtet.

 

 

Die Vertretungsmacht

 

a)        Vollmacht erteilt worden

b)       Kraft Gesetzes zur Vornahme des Rechtsgeschäftes befugt

 

Vollmachterteilung ist ein einseitiges, nicht formbedürftiges Rechtsgeschäft vgl. § 167.

 

Art und Weise der Vollmachtserteilung:

 

a)        ggü dem Vertreter, sog. Innenvollmacht gem. § 167 I, 1. Alt.

b)       ggü dem künftigen Geschäftspartner, dem der GH die Bevollmächtigung seines Vertreters mitteilt, sog. Außenvollmacht vgl. § 167 I, 2. Alt.

c)       Bewusste Erklärung an die Öffentlichkeit (hier aber: empfangsbedürftige WE; es liegt kein Fall des § 171 vor, da es dort um die Mitteilung geht, dass eine Bevollmächtigung bereits erfolgt sei)

 

Umfang der Vollmacht:

 

a)        Vertreter kann zur Vornahme eines Geschäftes befugt sein, sog. Einzelvollmacht;

b)       Der zu einem bestimmten Geschäftsbereich gehörenden Rechtsgeschäfte befugt sein, sog. Gattungs- oder Artvollmacht;

c)       Generalvollmacht

 

Ist der Umfang nicht eindeutig, so greifen die Auslegungsregeln über die WE, §§ 133, 157, ein. Entscheidend ist, wie der Vertreter bzw. der Vertragspartner die Bevollmächtigung verstehen durfte, also der geäußerte Wille des GH.

 

 

Die unwiderrufliche Vollmacht

 

Die Regel: Immer widerrufbar nach § 168, 2. Ausnahme „sofern“. (Vertraglicher Ausschluss).

Nach hM kann die Widerruflichkeit nur ausgeschlossen oder beschränkt werden, wenn der Bevollmächtigte (oder ein Dritter) ein besonderes Eigeninteresse an der Bevollmächtigung hat, das dem Interesse des Vollmachtsgebers an der Widerruflichkeit zumindest gleichwertig ist! z.B.: V verkauft a K ein Grundstück. V erteilt K unwiderruflich Vollmacht unter Ausschluss des § 181, das Grundstück an sich aufzulassen.

 

 

Die Form der Vollmacht

 

Die Vollmacht ist grds. formlos, vgl. § 167 II. Ausnahmen:

a)        Rechtsgeschäftliche Vereinbarung

b)       Gesetzlich bestimmt, z.B.:1945 III; § 2 II GmbHG

c)       Wenn das zu tätigende Rechtsgeschäft zum Schutze des Vollmachtgebers formbedürftig ist und die Vollmacht zur Vornahme dieses Rechtsgeschäftes den Vollmachtgeber rechtlich oder tatsächlich bindet. z.B.: Erteilung der Unwiderruflichkeit; dem Vollmachtgeber entstehe im Falle des Nichtzustandekommens erhebliche wirtschaftliche Nachteile; Bei Befreiung der Einschränkung des § 181.

 

 

Die Vollmacht und das zugrundeliegende Rechtsgeschäft

 

Die Vollmacht ist von dem im Innenverhältnis existierenden Kausalgeschäftes zu unterscheiden.

Falls im Zeitpunkt der Vollmachtserteilung noch keine Kausalbeziehung besteht und mit der Vollmachtserteilung auch nicht ausdrücklich ein Kausalgeschäft abgeschlossen wurde, so ist idR davon auszugehen, dass mit der Erteilung konkludent ein Auftragsvertrag gem. § 662 zustande gekommen ist.

Möglich ist aber auch eine sog. isolierte Vollmacht, bei der kein bzw. kein Wirksames Grundgeschäft besteht.

 

Das Abstraktionsprinzip:

 

1)       Ist das Kausalgeschäft nicht wirksam zustande gekommen, so bleibt die Vollmacht grds. wirksam. Die Unwirksamkeit des Grundgeschäftes hat idR keinen Einfluss auf den Bestand der Vollmacht. Das gilt uneingeschränkt für die Außenvollmacht.

2)       Strittig ist, ob auch die Innenvollmacht vom entstehen des Grundverhältnis unabhängig ist. Teilweise wird davon ausgegangen, dass das Grundgeschäft und die Vollmachtserteilung nach dem Willen der Parteien zu einem einheitlichen Rechtsgeschäft iSd § 139 verbunden seien: Die Nichtigkeit des Kausalgeschäftes bewirke im Zweifel auch die Nichtigkeit der Innenvollmacht.

 

Aus Gründen der Rechtssicherheit und der Sicherung des Bevollmächtigten vor einer Inanspruchnahme aus § 179 kann eine solche Geschäftseinheit aber nur in Ausnahmefällen bejaht werden.

 

z.B.: Ein in Geschäftsfähigkeit beschränkter schließt mittels Vollmacht einen KV. Das Auftragsverhältnis ist gem. §§ 662, 107, 108 schwebend unwirksam. Die Innenvollmacht ist aber von dem Innenverhältnis unabhängig, da vorliegend keine Anhaltspunkte für die Annahme eines einheitlichen Rechtsgeschäftes nach § 139 ersichtlich sind, vgl. §§ 107, 131 II, 165.

 

 

Die Bedeutung der Weisung im Innenverhältnis

 

Wenn der GH (Vollmachtgeber) mit dem Vertreter vereinbart, dass von der Vollmacht nur in einem bestimmten Umfang Gebrauch gemacht werden darf, dann kann dies bedeuten, dass

 

1)       Die Vollmacht dem Umfange nach begrenzt wird, so dass der Vertreter, der entgegen dieser Bestimmung des GH ein Rechtsgeschäft abschließt, als Vollmachtsloser Vertreter tätig wird.

2)       Aus Gründen des Vertrauensschutzes des Vertragspartners oder der Rechtssicherheit kann die Vereinbarung auch lediglich die Bedeutung haben, dass der Vertreter schuldrechtlich verpflichtet ist, von der inhaltlich nicht begrenzten Vollmacht nur in einem beschränkten Umfang Gebrauch zu machen, mit der Folge, dass die Verletzung dieser Verpflichtung den Vertreter nur Schadenersatzpflichtig gegenüber dem Vertretenen (GH) macht. Das Rechtsgeschäft ist gegenüber dem Partner hingegen wirksam, da die Vertretungsmacht davon unberührt geblieben ist. (Abstraktion)

 

Die Abgrenzung, ob durch eine Abrede die erteilte Vollmacht begrenzt oder lediglich der Umfang der Pflichten im Innenverhältnis konkretisiert werden soll, muss unter Berücksichtigung aller Umstände, der Verkehrssitte, der Schutzwürdigkeit des Vertragspartners und Treu und Glauben erfolgen.

 

BEACHTE: Der Vollmachtsumfang (Innen- oder Außenvollmacht, vgl. § 167) bedeutet „RECHTLICHES KÖNNEN“, das weitergehen kann, als das im Innenverhältnis (Kausalgeschäft / Grundgeschäft) vereinbarte „RECHTLICHE DÜRFEN“. Bei der Auslegung der Vollmacht, können aber die Regeln des Innenverhältnis herangezogen werden.

 

z.B.: G beauftragt V, seinen Wagen „bestens“ zu verkaufen, wobei G mit den Erlös von mindestens 3000 DM rechne. V verkauft den Wagen für 2500 DM an K . Wie ist die Rechtslage?

 

Durch Auslegung könnte man sagen (unter Berücksichtigung des Verkehrsschutzes), dass eine uneingeschränkte (Innen-) Vollmacht erteilt wurde: „Verkauf zum bestmöglichen Preis“. Im Innenverhältnis durfte er aber den Wagen nicht für weniger als 3000 DM verkaufen (Vertragspflichtverletzung). Ein Vertrag zwischen G und K, § 164 (+). Vgl. Abstraktionsprinzip

 

(anders, wenn G nur gesagt hätte, V solle den Wagen für nicht weniger als 3000 DM verkaufen. Dann: Innenverhältnis und Innenvollmacht sind dem Umfang nach identisch)

 

 

Das Erlöschen der Vollmacht gem. § 168

 

a)        Das zugrundeliegende Rechtsgeschäft (Innenverhältnis) erlischt, § 168, 1

b)       Die Vollmacht wird einseitig widerrufen, § 168, 2

c)       Die Vollmacht wird wirksam angefochten

In Betracht kommt auch: Beendigung nach dem Inhalt der Vollmacht (z.B. Auflösende Bedingung, Befristung etc...); Einseitiger Verzicht des Bevollmächtigten; Geschäftsunfähigkeit des Bevollmächtigten, arg. § 165; Konkurs des Vollmachtgebers.

 

 

a)        Das zugrundeliegende Rechtsgeschäft (Innenverhältnis) erlischt, § 168, 1

(1)        Gem. §§ 674, 169 gilt die erloschene Vollmacht gegenüber Gutgläubigen als fortbestehend.

(2)        Im Falle des Todes eines Beteiligten gilt:

-            Mit dem Tode des Beauftragten erlischt idR auch die Vollmacht, §§ 168, 1; 673, 1; 675.

-            Mit dem Tode des Auftragsgebers erlischt gem. § 672 der Auftrag grds. nicht, so dass, wenn nichts anderes Abweichendes vereinbart worden ist, auch die Vollmacht fortbesteht (sog. Postmortale Vollmacht). Der Erbe wird neuer GH.

 

Beachte: Zwar herrscht das Abstraktionsprinzip, aber nicht, wenn das Kausalgeschäft erlischt. Anders bei dem Trennungsprinzip zwischen Kausal- und Erfüllungsgeschäft!

 

 

b)       Die Vollmacht wird einseitig widerrufen, § 168, 2

 

Gem. § 168, 2 kann die Vollmacht durch Widerruf erlöschen, auch wenn das Grundgeschäft fortbesteht. Der Widerruf erfolgt durch eine einseitige WE, für die gem. § 168, 3 die Vorschrift des § 167 entsprechend gilt. Danach kann die Vollmacht sowohl gegenüber dem Bevollmächtigten, als auch gegenüber dem Empfänger der Erklärung, dem Geschäftspartner widerrufen werden. Dies gilt nach hM unabhängig davon, ob eine Innen- oder Außenvollmacht erteilt wurde.

 

Der auf den Fortbestand der Vollmacht vertrauende Dritte (Geschäftspartner) wird durch die §§ 170 ff. geschützt (§§ 170; 173), vgl. siehe unten.

 

Auch die – wirksame – unwiderrufliche Vollmacht kann analog §§ 626, 723 aus wichtigem Grund wirksam widerrufen werden.

 

 

c)       Die Vollmacht wird wirksam angefochten

 

Bedenken ergeben sich daraus, dass nach dem Abschluss des Vertretergeschäftes unmittelbar eine Dritte Person – der Vertragspartner – durch die Anfechtung der Vollmachterteilung berührt wird.

 

1)       Hat der Vertreter das Rechtsgeschäft noch nicht getätigt, so ist die Vollmachtserteilung jedenfalls dann uneingeschränkt wegen Irrtums nach §§ 119 ff. anfechtbar, wenn es sich um eine unwiderrufliche Vollmacht handelt. Bei der widerruflichen Vollmacht besteht kein Anfechtungsbedürfnis, da § 168, 2 ein Widerrufsrecht einräumt. Dennoch räumt die hM ein Anfechtungsrecht ein, da die Möglichkeit zum Widerruf die Anfechtung nicht ausschließt.

2)       Umstritten ist, ob die Vollmacht auch dann noch angefochten werden kann, wenn der Vertreter das Rechtsgeschäft mit dem Dritten bereits abgeschlossen hat.

 

(a)     Nach hM ist die Bevollmächtigung, wie jede andere WE anfechtbar. Fraglich ist aber, wer in diesen Fällen Anfechtungsgegner iSd § 143 III ist.

 

 

(1)    Teilweise wird danach differenziert, ob eine Innen- oder Außenvollmacht vorliegt: Bei der Innenvollmacht sei der Vertreter, bei der Außenvollmacht der Vertragspartner der richtige Anfechtungsgegner.

(2)    Nach a.A. kann der Vertretene die Vollmacht wahlweise gegenüber dem Vertreter oder dem Vertragspartner anfechten; arg. §§ 143 III 1, 167 I.

(3)    Schließlich wird die Auffassung vertreten, dass der Anfechtungsgegner stets der Geschäftsgegner sei, weil es dem Vertretenen letztlich darum gehe, die Folgen des vom Vertreter mit dem Dritten abgeschlossenen Geschäftes zu beseitigen.

 

aa) Ist die Anfechtung der Vollmacht gegenüber dem Vertragspartner erfolgt, so steht diesem ein Anspruch aus § 122 gegen den Vertretenen (GH) zu.

 

ACHTUNG: Darüber hinaus hat der Vertreter wegen der Rückwirkung des § 142 I ohne Vertretungsmacht gehandelt. Er haftet dem Vertragspartner nach § 179, und zwar idR nach § 179 II: (Beachte aber: § 142 II bzgl. der Bösgläubigkeit).

Da die Haftung des Vertreters nach § 179 II den Vertragspartner aber nur wegen seines Vertrauens in die Wirksamkeit der WE entschädigen will, dieses Interesse aber bereits durch die Haftung des Vertretenen aus § 122 geschützt wird, wird man richtigerweise annehmen müssen, dass im Falle der Anfechtung gegenüber dem Vertragspartner eine Haftung des Vertreters gem. § 179 entfällt.

 

bb) Ist dagegen der Vertreter der Anfechtungsgegner, so hat er gem. § 122 gegen den Vollmachtgeber einen Anspruch auf den Vertrauensschaden.

Gleichzeitig ist der Vertreter dem Vertragspartner aus § 179 verpflichtet. Diese Anspruchskette (VP gegen V gem. § 179 und V gegen GH gem. § 122) wird überwiegend als nicht interessengerecht gehalten. Die hM räumt dem Vertragspartner ein Ersatzanspruch § 122 analog gegen den Vollmachtgeber ein, da dieser letztlich für den Schaden haften soll und nicht der Vertreter. Dann entfällt die Haftung des Vertreters aus

§ 179!

 

Beachte: Darüber hinaus kann im Falle der Anfechtung gegenüber den Vertreter zugunsten des gutgläubigen Geschäftsgegners gem. §§ 170 ff. oder nach den Grundsätzen der Rechtsscheinvollmacht vom Fortbestand der Vollmacht auszugehen sein. Das Geschäft wirkt dann trotz der Anfechtung für und gegen den GH:

 

 

(b)    Demgegenüber wird teilweise die Anfechtung der Vollmacht nach Vertragsabschluss für unzulässig gehalten. Die Interessen des Vertragspartners und des Vertreters seien gegenüber der Anfechtung vorrangig, dem Schutz des Vollmachtgebers könne durch die Anwendung über den Missbrauch der Vertretungsmacht hinreichende Rechnung getragen werden.

 

 

Der gute Glaube an die Vollmacht

 

Grds. wird derjenige, der mit einem vollmachtslosen Vertreter ein Geschäft tätigt, nicht geschützt. Der Vertragspartner muss sich selber überzeugen, ob der als Vertreter auftretende eine entsprechende Vollmacht besitzt.

 

Der gute Glaube an die Vollmacht wird ausnahmsweise geschützt:

 

I.                       Die Vollmacht wirksam erteilt worden ist, aber inzwischen erloschen ist, §§ 170, 173;

II.                    Die Vollmacht nicht wirksam erteilt worden ist, aber im übrigen die Voraussetzungen der §§ 170-173 vorliegen;

III.                 Die Voraussetzungen der Duldungs- oder Anscheinsvollmacht eingreifen.

 

 

I.                       Der Schutz des Erklärungsempfängers gem. §§ 170-173

 

 

Nach §§ 170-173 wird der Erklärungsempfänger (VP) geschützt, wenn er das Erlöschen der Vertretungsmacht nicht kennt und auch nicht kennen musste (§ 173) und wenn:

 

(1)    die Vollmacht ihm gegenüber erklärt worden war (Außenvollmacht, § 170)

(2)    die Bevollmächtigung ihm mitgeteilt oder öffentlich bekannt gemacht worden war

(§ 171 I) oder

(3)    der Vertreter eine Vollmachtsurkunde vorgelegt hat (§ 172 I)

 

= Die Vollmacht des Vertreters gilt im Verhältnis zum gutgläubigen GP so lange als fortbestehend, bis ihm das Erlöschen der Vollmacht in gleicher Weise mitgeteilt worden ist wie die Vollmachtserteilung bekannt gegeben worden war.

hM: Spezialfall der Anscheinsvollmacht: Die wirksam erteilte, aber erloschene Vollmacht gelte gegenüber dem gutgläubigen als fortbestehend.

 

 

Äußerst umstritten ist, ob der Vertretene die Kundmachung iSd §§ 171, 172 gem. § 119 I anfechten kann, mit der Folge, dass der Vertreter als Vertreter ohne Vertretungsmacht gehandelt hat.

a)        Die wohl hM verneint diese Anfechtungsmöglichkeit, weil nur WE, nicht aber Rechtsscheintatbestände der Anfechtung unterliegen.

b)       Die im vordringen befindliche Gegenmeinung bejaht die Anfechtungsmöglichkeit mit unterschiedlicher Begründung.

Ein Teil der Lehre nimmt an, dass der durch die Vollmachtsurkunde verursachte Rechtsschein nicht stärker sein kann, als die wirklich erteilte Vollmacht. z.B.: GH hat sich bei der Kundgabe versprochen, wollte A nicht B bevollmächtigen.

 

 

II.                    Die entsprechende Anwendung der §§ 170 ff.

 

Die §§ 170 ff. sind nach hM entsprechend anzuwenden, wenn die Vollmacht bereits von vornherein nicht wirksam erteilt worden ist, der Vollmachtgeber aber einen der Kundmachungstatbestände der §§ 170 ff. verwirklicht hat.

 

Fall: Eigentümer G hat V als Verwalter eingesetzt und den Mietern mitgeteilt sie sollen den Mietzins an V zahlen. Später verschwindet V mit zwei Monatsmieten. G erklärt die Anfechtung der Vollmacht und verlangt nochmalige Zahlung von den Mietern.

 

G – Mieter gem. § 535, 2 auf Zahlung, wenn sein Mietzinsanspruch nicht durch Zahlung an V erloschen ist. Die Zahlung an V hätte Erfüllungswirkung gehabt, wenn V wirksam als Vertreter des G das Geld entgegen genommen hat.

 

a)        V hat das Geld im Namen des G angenommen (+)

b)       Die ursprünglich erteilte Außenvollmacht ist indes gem. § 142 nichtig, weil G diese WE wegen Irrtums über eine verkehrswesentliche Eigenschaft (V war Straftäter) gem. § 119 II und arglistiger Täuschung gem. § 123 wirksam angefochten hat. Zur Zulässigkeit s.o.!

 

c)       Es fragt sich aber, ob die Mieter nicht in ihren Vertrauen auf den Fortbestand der Vollmacht des V zu schützen sind, § 170.

 

(1)     Eine direkte Anwendung der §§ 170-173 scheitert, da diese Vorschriften nur das Vertrauen an den Fortbestand einer wirksam erteilten Vollmacht schützen. Die Vollmacht ist hier aber wegen § 142 von Anfang an nichtig.

(2)     Die §§ 170-173 sind aber nach ihrem Schutzzweck entsprechend anwendbar, wenn die Vollmachtserteilung von vornherein nicht wirksam war.

 

Da G den Mietern gegenüber die Bevollmächtigung mitgeteilt hat, ist ein Kundgebungstatbestand iSd § 170 gegeben. V galt im Verhältnis zu den Mietern noch als Bevollmächtigt. § 362 (+).

 

 

III.                Die Duldungs- und Anscheinsvollmacht

 

Ist demjenigen, der als Vertreter auftritt, keine Vollmacht erteilt worden, so kann das Geschäft dennoch für den Vertretenen verbindlich sein, wenn:

 

a)       der Vertreter Kenntnis vom Auftreten des Vertreters hatte und er dieses geduldet hat = Duldungsvollmacht.

b)       der Vertreter vom Auftreten des nicht bevollmächtigten Vertreters Kenntnis hätte haben können und dieses hätte verhindern können = Anscheinsvollmacht.

 

Die Duldungsvollmacht

 

Wer das Auftreten eines nicht Bevollmächtigten duldet, dann kann dies bedeuten, dass er nunmehr gewillt ist, dem Vertreter Vollmacht zu erteilen. Es liegt dann eine Vollmachtserteilung durch schlüssiges Verhalten oder dass er unschlüssig ist, sein Schweigen hat dann keinen Erklärungswert, es findet aber die Duldungsvollmacht in Form der Rechtscheinsetzung Anwendung.

Also: 1. Duldungsvollmacht in Form der konkludenten Bevollmächtigung?

   2. Duldungsvollmacht in Form der Rechtscheinsetzung?

 

 

Die Rechtsschein-= Anscheinsvollmacht

 

Schließt der Vertreter ohne Vertretungsmacht Verträge, so ist der Vertretene nach hA an diese Verträge gebunden, wenn er den vom Vertreter gesetzten Rechtsschein zurechenbar veranlasst hat (Möglichkeit hatte in zu verhindern, aber dies fahrlässig nicht erkannt hat) und der Vertragspartner gutgläubig ist.

 

Fall: Die Fabrik G will neues Medikament auf den Markt bringen. V soll die Werbung für einen bestimmten Preis fertig stellen. V bestellt bei P wiederholt Sachen und bittet darum, die Rechnungen an G zu schicken. G zahlt 6 Rechnungen. Später fallen die Rechnungen dem Prokuristen P in die Hände. Dieser ordnet an, dass die Rechnungen nicht weiter gezahlt werden sollen, da es aufgrund des Festpreises Sache der P wäre.

P gegen G aus § 631?

 

a)        V und P haben sich aber über den Werkvertrag geeinigt. Aus dem von V abgegebenen Erklärungstatbestand konnte und durfte P jedoch entnehmen, dass nicht V, sondern G verpflichtet werden sollte. V hat somit die Werkvertragserklärungen im Namen der G abgegeben, § 164 (+).

b)       Die Einigung wirkt für und gegen G, wenn V vertretungsberechtigt war

 

(1)    G hat V keine Vollmacht erteilt. Durch den Festpreis war V nicht berechtigt G zu verpflichten.

(2)    Eine Duldungsvollmacht scheidet aus, weil die Firma G nicht wusste, dass V als ihr Vertreter aufgetreten ist. Es müsste ein Organ oder ein Vertreter, der zur Erteilung der Vollmacht berechtigt ist, Kenntnis des Auftretens der V gehabt haben.

(3)    Es könnte ein sog. Anscheinvollmacht vorliegen. Ein solche ist gegeben, wenn der Vertretene das Handeln seines angeblichen Vertreters zwar nicht kennt (sonst Duldungsvollmacht) er es aber bei pflichtgemäßer Sorgfalt hätte erkennen können, und ferner der Geschäftsgegner nach Treu und Glauben annehmen durfte, der Vertretene billige das Handeln des vermeintlichen Vertreters.

 

 

Die Anerkennung des Instituts der Anscheinsvollmacht ist umstritten:

 

aa) Nach hM verleiht die Anscheinsvollmacht entsprechend dem Umfang des gesetzten Rechtsscheins Vertretungsmacht. Der GH muss sich so behandeln lassen, als habe er den Handelnden tatsächlich bevollmächtigt.

 

bb) Dagegen wird in der Lit. teilweise – zumindest für den nicht kaufmännischen Verkehr – lediglich eine Vertrauenshaftung aus cic bejaht, da bloße Nachlässigkeit nicht zum Zustandekommen eines Vertrages führen könne.

 

Stellungnahme:

Für die hM spricht, dass das Vertrauen des Vertragspartners auf das Bestehen einer Vollmacht in der Weise schutzwürdig ist, das ihm gegenüber der Rechtsschein als Wirklichkeit gilt.

 

Es müssten die Voraussetzungen der Anscheinsvollmacht vorliegen:

 

(1)    Rechtsschein der Bevollmächtigung: V ist als Vertreter des G gegenüber P aufgetreten (+)

(2)    Zurechenbar veranlasst?: G hat die zugeschickten Rechnungen bezahlt. G hatte die Möglichkeit, sich von dem Auftreten des V als Vertreter zu unterrichten, und er hätte dieses Auftreten unterbinden können (+).

(3)    Der Vertragspartner P war gutgläubig (+).

 

Ergebnis: G muss alle Rechnungen zahlen.

 

 

Die Gesetzliche Vertretung:

 

a)        Juristische Personen durch ihre Organe: z.B.: § 35 GmbHG bzgl. des Geschäftsführers.

b)       Eltern gem. § 1643; Vormund gem. § 1793; Betreuer gem. § 1902

c)       Beschränkung der Vertretungsmacht: §§ 1821; 1822 (1643). Ausschluss von der Vertretung: §§ 1795, 181.

 

 

Die Beschränkung der Vertretungsmacht

 

Der rechtsgeschäftliche oder gesetzliche Vertreter unterliegt den Beschränkungen des § 181 und darf seine Vertretungsmacht nicht missbrauchen.

 

Die Beschränkung der Vertretungsmacht gem. § 181

 

Verbot der „Insichgeschäfte“: Er darf nicht Erklärender und Erklärungsempfänger gleichzeitig sein. Das gegen § 181 vorgenommene Geschäft ist schwebend unwirksam.

 

Nach § 181 sind zwei Arten des Insichgeschäftes unzulässig:

 

1.        Das Selbstkontrahieren

2.        Die Mehrvertretung

 

1.        Das Selbstkontrahierungsverbot bedeutet: Der Vertreter darf keine Rechtsgeschäfte abschließen, bei der er auf der einen Seite im eigenen Namen – also für sich – tätig wird und gleichzeitig auf der anderen Seite als Vertreter handelt. z.B: Geschäftsführer kauft ein Grundstück der GmbH für sich selber, so dass er K und V in einer Person ist.

2.        Das Mehrvertretungsverbot bedeutet: Der Vertreter darf nicht auf beiden Seiten des Rechtsgeschäftes für personenverschiedene Geschäftspartner handeln. z.B.: X als Gesellschafter der Firma A und als Vorstandsmitglied der Firma B, gewährt im Namen der A der B ein Darlehen.

 

 

Die Anwendung des § 181 über den Wortlaut hinaus

 

A)     § 181 ist auch dann anwendbar, wenn ein Unterbevollmächtigter zur Umgehung bestellt wird. (Vermeidung eigennütziger Verwertung der Vollmacht)

Entsprechendes gilt, wenn der Vertreter in der Weise mit sich selbst kontrahiert, dass er für den Vertretenen handelt und für sich einen Vertreter auftreten lässt.

 

B)      Ein Verstoß gegen § 181 liegt nach hM auch dann vor, wenn der Vertreter nach dem materiellen Inhalt der WE auf beiden Seiten des Rechtsgeschäftes mitwirkt.

 

Fall: V ist Prokurist bei der G. V schuldet der G 30.000 DM. Der Geschäftsführer lässt eine Zwangshypothek bei V eintragen. Später erklärt V als Prokurist die Löschung der Zwangshypothek vor dem GBA. Ist die Zwangshypothek erloschen?

 

Nach § 875 ist die Hypothek erloschen, wenn eine wirksame Aufgabeerklärung der G vorliegt. Zwar ist V als Prokurist dazu bevollmächtigt, jedoch könnte § 181 entgegenstehen.

 

(1)    V hat die Aufgabeerklärung nach § 875 I 2 gegenüber den GBA erklärt, so dass er nicht auf beiden Seiten aufgetreten ist. Bei einer rein formalrechtlichen Betrachtungsweise, bei der im Rahmen des § 181 nur darauf abzustellen ist, ob auf beiden Seiten ein und dieselbe Person mitwirkt, greift § 181 nicht ein.

(2)    Doch kann gem. § 875 I 2, 2 HS die Aufgabe eines Rechtes auch dem Begünstigten gegenüber erklärt werden. Begünstigter ist hier der Eigentümer V. Hätte V von dieser Befugnis gebrauch gemacht, dann hätte er auf beiden Seiten des Geschäftes mitgewirkt.

 

§ 181 stand dem V im Wege. Die Hypothek ist nicht erloschen.

 

C)     Nach hM genügt es für § 181 nicht, dass ein Interessenkonflikt vorliegt.

 

 

Die Zulässigkeit des Insichgeschäftes gem. § 181

 

Das Insichgeschäft ist nach § 181 wirksam, wenn:

 

1.        Der Vertreter zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit gehandelt hat,

2.        Dem Vertreter die Mitwirkung auf beiden Seiten des Rechtsgeschäftes gestattet ist, und

3.        Das Rechtsgeschäft für den Vertretenen lediglich rechtlich vorteilhaft ist, denn dann ist der Vertretene nicht schutzwürdig, so dass eine teleologische Reduktion geboten ist!!!

 

 

Der Missbrauch der Vertretungsmacht

 

Aufgrund der Abstraktheit der Vollmacht gegenüber dem Kausalgeschäft lässt eine Pflichtwidrige Nichtbeachtung der im Innenverhältnis bestehenden Bindungen die Vertretungsmacht unberührt. Der Vertreter macht sich nur im Innenverhältnis Schadenersatzpflichtig.

 

Der Vertretene muss das Rechtsgeschäft aber dann nicht gegen sich gelten lassen,

 

(1)    wenn Vertreter und GP zum Nachteil des Vertretenen zusammenwirken (vgl. auch § 138, sog. Kollusion) oder

(2)    der Vertreter seine Vertretungsmacht in einer für den GP erkennbaren Weise missbraucht.

 

 

A)     Voraussetzungen des allgemeinen Missbrauchs der Vertretungsmacht

 

Auf Seiten des Geschäftsgegners ist erforderlich:

 

a)        Kenntnis oder

b)       Begründete, sich geradezu aufdrängende Zweifel (Evidenz der Überschreiten des Innenverhältnisses).

 

Ob der Missbrauch der Vertretungsmacht darüber hinaus ein vorwerfbares Verhalten des Vertreters erfordert ist umstritten:

 

a)        Teilweise wird angenommen, der Missbrauch der Vertretungsmacht setze ein vorsätzliches Handeln des Vertreters voraus.

b)       Teilweise wird differenziert: Bei der gesetzlichen unbeschränkten Vertretungsmacht des Handelsrechts (z.B. Prokura) sei ein vorsätzliches Handeln des Vertreters erforderlich, nicht dagegen dann, wenn der Inhalt der Vertretungsmacht inhaltlich bestimmt sei.

c)       Die hM stellt nicht darauf ab, ob der Vertreter vorsätzlich oder sonst vorwerfbar handelte. Kannte der GP die Überschreitung oder musste ihm sich der Missbrauch aufdrängen, so ist sein Vertrauen auf den Bestand der Vertretungsmacht nicht schutzwürdig, unabhängig davon, ob der Vertreter vorwerfbar handelte.

 

 

B)     Rechtsfolgen des Missbrauchs der Vertretungsmacht

 

1)       Die Rspr. geht von einem Rechtsmissbrauch nach § 242 aus. Zwar bleibe die Vertretungsmacht bestehen- und auch der Vertrag kommt zustande, der Vertretene habe aber gegen den vertraglichen Erfüllungsanspruch des Geschäftsgegners die Einrede der unzulässigen Rechtsausübung.

2)       Die hL wendet dagegen §§ 177 ff. analog an: Im Außenverhältnis entfalle die Vertretungsmacht (Durchbrechung des vertretungsrechtlichen Abstraktionsprinzips); der Vertretene habe aber die Möglichkeit, das Geschäft durch Genehmigung analog § 177   wirksam werden zu lassen.

 

 

Das „Mitverschulden“ des Erklärungsgegners

 

Ungeklärt sind auch die Fälle in denen der GH dem Missbrauch der Vollmacht durch mangelnde Kontrolle mitverschuldet hat. Nach der Rspr. ist hier der Erfüllungsanspruch nach den Rechtsgedanken des § 254 zu mindern.

 

Die Lit. wendet ein, dass § 254 nur auf Schadensersatzansprüche; nicht auf Erfüllungsansprüche anwendbar sei. Das Vertretergeschäft sei insgesamt ungültig, wenn der Vertretene die Genehmigung verweigere. In Betracht komme nur ein Schadensersatzanspruch des Dritten aus cic gegen den Vertretenen auf Ersatz des negativen Interesses. Dabei sei gem. § 278 auch auf ein Verschulden des Vertreters abzustellen.

 

 

Die Rechtsfolgen wirksamer Vertretung

 

Zu Beachten ist: Bei einer wirksamen Stellvertretung ist der Vertreter aus dem abgeschlossenen Rechtsgeschäft grds. weder berechtigt noch verpflichtet. Ausnahmsweise haftet der Vertreter persönlich für Verschulden bei Vertragsverhandlungen (cic), wenn er in besonderem Maße persönliches Vertrauen in Anspruch genommen hat oder ein so großes eigenes wirtschaftliches Interesse am Vertragsabschluss hat, dass bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise in Wahrheit er der Vertragspartner ist.

z.B.: Gebrauchtwagenhändler, der beim Verkauf des Autos als Vertreter des Eigentümers auftritt.

 

 

Willensmängel, Kenntnis und Kennenmüssen

 

 

Grundsätzlich ist es bei Willensmängeln und dann, wenn es auf die Kenntnisse bzw. das Kennenmüssen ankommt,

 

1)       Gem. § 166 I auf die Person des Vertreters abzustellen

2)       Ausnahmsweise ist unter den Voraussetzungen des § 166 II die Person des Vertretenen entscheidend.

 

(1)    Nach § 166 I kommt es auf die Person des Vertreters an, soweit die rechtlichen Folgen einer WE durch Willensmängel oder durch das Kennen bzw. Kennenmüssen bestimmter Umstände beeinflusst werden kann.

 

a)        Die vom Vertreter abgegebene WE ist gem. §§ 119 ff. nur dann anfechtbar, wenn nach § 166 I ein Willensmangel des Vertreters vorliegt. Ob sich der GH geirrt hat, ist für die Anfechtung der vom Vertreter abgegebene WE unerheblich. Bei einem Irrtum des Vertretenen kommt allenfalls eine Anfechtung der Vollmachtserteilung selbst in Betracht (s.o.!!!)

Die Anfechtungserklärung (§ 143) muss grds. von dem Vertretenen abgegeben werden, da ihn die Rechtsfolgen der von dem Vertreter abgegebenen WE treffen.

 

b)       Falls es für die Rechtsfolgen einer WE darauf ankommt, ob dem Erklärenden bestimmte Umstände bekannt sind bzw. hätte bekannt sein müssen, so kommt es gem. § 166 I grds. auf die Person des Vertreters als Erklärenden an. Die Kenntnis von Umständen ist zB von Bedeutung:

 

aa) Beim gesetzlichen Ausschluss der Gewährleistungsrechte, wenn der Anspruchsberechtigte (Käufer) den Rechts- bzw. Sachmangel bei Vertragschluss oder Übergabe der Sache gekannt bzw. infolge grober Fahrlässigkeit nicht gekannt hat, vgl. §§ 439, 460, 464, 539;

 

bb) Beim gutgläubigen Erwerb eines Sachenrechtes gem. §§ 932 ff, bzw. 892;

                

               cc) Bei der verschärften Haftung des rechtsgrundlosen und des bösgläubigen Besitzers gem. § 819 (Bereicherungsrecht) bzw. §§ 987 ff. (EBV)*.

* Beim EBV handelt es sich zwar um einen Realakt (Besitzerwerb), jedoch wird von der hM eine analoge Anwendung bejaht; aA: Zurechnung analog § 831 (str.)

 

 

Die Regelung des § 166 II

 

Nach § 166 II ist hinsichtlich der Kenntnis von Umständen (nicht Willensmängel) auf die Person des Vertretenen abzustellen, wenn die Vertretungsmacht auf einer Vollmacht (durch Rechtgeschäft erteilte Vertretungsmacht; In Ausnahmefällen wird auch eine entsprechende Anwendung bei der gesetzlichen Vertretung bejaht) beruht und der Vertreter nach bestimmten Weisungen des Vertretenen gehandelt hat.

 

Für Willensmängel enthält § 166 II keine Regelung. Ob diese Vorschrift entsprechend anwendbar ist, wenn Willensmängel des Vertretenen im Hinblick auf das vom Vertreter vorgenommene Rechtsgeschäft vorhanden sind, ist umstritten:

 

Fall: H will G eine gebrauchte Maschine verkaufen. Als G vom Vertrag absehen will, wegen des hohen KP, erklärt ihm H, dass er die Kosten von der Steuer absetzen kann, was aber nicht stimmt und H dies auch weiß. Mit Rücksicht darauf entschließt sich G zum Kauf.  Er verständigt V, die Maschine für ihn zu kaufen, falls sie keine Mängel aufweise.

Später weigert sich G den KP zu zahlen, als er die Kosten nicht von der Steuer absetzen kann.

 

H gegen G aus § 433 II

 

a)        V hat sich im Namen und mit Vertretungsmacht des G mit dem H über die Vertragsbestandteile des KV geeinigt.

b)       G ist durch arglistige Täuschung des H zum Vertragschluss veranlasst worden, so dass sich für ihn ein Anfechtungsrecht zustehen könnte.

 

(1)    Gem. § 166 I ist bei der Anfechtung des Vertretungsgeschäftes grds. auf die Person des Vertreters abzustellen. Die von V abgegebene WE ist aber nicht aufgrund eines Willensmangels des V abgegeben worden. V wollte die Erklärung, so wie sie wirksam geworden ist, abgeben, und er ist hierzu nicht durch arglistige Täuschung des H veranlasst worden. Daher kommt eine Anfechtung des KV durch den Vertretenen G nicht in Betracht.

(2)    Der Vertretene G kann die Kaufvertragserklärung aber anfechten, wenn sein Willensmangel gem. § 166 II zu berücksichtigen ist.

 

(a)     Dann müsste V nach bestimmten Weisungen gehandelt haben. Der Begriff „bestimmte Weisungen“ ist weit auszulegen. Es genügt, wenn der Vertreter in Rahmen der Vollmacht ein Geschäft abschließt, zu dessen Vornahme ihn der Vollmachtgeber veranlasst hat, die Entscheidung des Vertreters also bewusst vom Vertretenen bestimmt oder doch in eine bestimmte Richtung gelenkt wird. G hat hier den Kaufgegenstand konkret vorgeschrieben, so dass eine bestimmte Weisung iSd § 166 II vorliegt.

(b)    Dem Wortlaut nach kann § 166 II aber keine Anwendung finden, weil die Vorschrift nur für Fälle des „Kenntnis“ bzw. des „Kennenmüssen“ erfasst, nicht aber Fälle des Willensmangels.

(c)    Fraglich ist, ob nicht der Normzweck des § 166 II unter Berücksichtigung der Interessenlage eine entsprechende Anwendung rechtfertigt.

 

aa) Im Schrifttum wird teilweise die Ansicht vertreten, § 166 II sei auf Willensmängel der Person des Vertretenen nicht auszudehnen. Nach §§ 119 ff. sei ein Anfechtungsgrund nur gegeben, wenn der Erklärende sich bei der Abgabe der WE geirrt habe. Erklärender sei der Vertreter. Der GH kann nur die Bevollmächtigung anfechten.

 

bb) Nach überwiegender Ansicht erfasst § 166 II auch den Fall des Willensmangels, wenn sich der GH bei der „Weisung“ in einem zur Anfechtung berechtigten Irrtum befunden hat. § 166 II beruhe auf dem Gedanken, dass es bei der Willensbildung jeweils auf die Person und die Bewusstseinslage desjenigen ankomme, auf dessen Interessenbewertung und Entschließung der Geschäftsabschluss beruhe. Wenn der GH dem Vertreter eine besondere Weisung erteile, so bestimme letztlich sein Geschäftswille Abgabe und Inhalt der Vertretererklärung.

 

Da hier G durch arglistige Täuschung zu der Weisung an V veranlasst worden ist, kann er nach überwiegender Ansicht entsprechend § 166 II den KV anfechten (hier: § 123).

 

 

Der Vertreter ohne Vertretungsmacht, §§ 177- 180

 

Wenn der Vertreter ohne Vollmacht oder gesetzliche Vertretungsmacht gehandelt hat, dann ist der Vertretene nicht gebunden. Es fehlt ein Zurechnungstatbestand.

 

a)        Der schuldrechtliche Vertrag bzw. die Einigung zur Rechtsänderung ist schwebend unwirksam. Das einseitige Rechtsgeschäft ist grds. nichtig, § 180, 1.

b)       Der Vertretene oder der Vertragspartner (!) können den Schwebezustand durch Genehmigung beseitigen, §§ 177, 178.

c)       Wird die Genehmigung verweigert, so haftet der Vertreter grds. anstelle des Vertretenen gem. § 179.

 

Die Genehmigung des Vertrages durch den Vertretenen

 

Das Geschäft wird mit der Genehmigung gem. § 184 I rückwirkend wirksam. Sie ist grds. formlos, § 182 II: Das gilt nach hM auch dann, wenn die Erteilung der Vollmacht selbst einer Form bedürft hätte.

 

Anmerkung: Ist ein Vertrag wegen der Mitwirkung eines vollmachtlosen Vertreters schwebend unwirksam, so kann dieser Mangel unter Kaufleuten auf das dem Vertragsschluss folgende Bestätigungsschreiben geheilt werden.

 

Die Verweigerung der Genehmigung sowie der Widerruf gem. § 178

 

a)        Die verweigerte Genehmigung kann nach hM nicht widerrufen werden mit der Folge, dass das Rechtsgeschäft wieder schwebend unwirksam und damit genehmigungsbedürftig wird.

b)       Wenn jedoch der Vertragspartner den Vertretenen zur Genehmigung aufgefordert hat, wird die dem Vertreter gegenüber erteilte Genehmigung oder Verweigerung unwirksam, so dass der Vertrag wieder schwebend unwirksam wird. Wird die Genehmigung nicht innerhalb von zwei Wochen nach dem Empfang der Aufforderung erklärt, so gilt sie als verweigert, § 177 II.

c)       Nach § 178 kann der andere Teil (VP) bis zur Genehmigung des Vertrages den Widerruf erklären, es sei denn, der Mangel der Vertretungsmacht war ihm beim Abschluss des Vertrages bekannt. Der Widerruf kann auch dem Vertreter gegenüber erklärt werden.

 

Die Haftung des Vertreters ohne Vertretungsmacht

 

Der Vertreter ohne Vertretungsmacht haftet nicht nach § 179,

 

a)        wenn der VP nach § 178 den Widerruf erklärt hat

b)       wenn der VP das Fehlen der Vertretungsmacht kannte oder hätte kennen müssen, § 179 III 1;

c)       wenn der Vertreter nicht voll Geschäftsfähig war, § 179 III 2 1 HS.

Der beschränkt geschäftsfähige Vertreter haftet nur, wenn er mit Zustimmung seiner gesetzlichen Vertreters gehandelt hat, § 179 III 2, 2 HS.

 

Die Rechtsfolge aus § 179

 

Der Geschäftsgegner kann den Vertreter nach seiner Wahl auf Schadensersatz oder Erfüllung in Anspruch nehmen. Der Vertreter wird im Falle der Erfüllungspflicht nicht Vertragspartner, erlangt aber eine Stellung als solchen. Er kann alle Ansprüche und Gegenrechte wie dieser geltend machen, zB Gewährleistungsrechte. Hat der Vertreter den Mangel der Vertretungsmacht jedoch nicht gekannt, so haftet er nur auf das Vertrauensinteresse, § 179 II.

 

BEACHTE: Hätte der Vertrag zB wegen Vermögenslosigkeit des GH keine realisierbaren Ansprüche begründet, so scheidet eine Haftung nach § 179 aus. Denn der VP soll durch diese Haftung nicht besser gestellt werden, als er stünde, wenn er den Vertretenen selbst in Anspruch hätte nehmen können.

 

Das einseitige Rechtsgeschäft des Vertreters ohne Vertretungsmacht, § 180

 

Es ist unzulässig. Dies gilt für nicht empfangsbedürftige WE. Gem. § 180, 2 gelten die Regeln über Verträge entsprechend, wenn bei empfangsbedürftigen WE, aber auch bei geschäftsähnlichen Handlungen, zB Mahnung, der Vertreter die Vertretungsmacht behauptet und der Erklärungsempfänger mit der Vornahme des Rechtsgeschäftes ohne Vertretungsmacht einverstanden ist. In diesen Fällen ist das einseitige Geschäft schwebend unwirksam und daher gem. § 177 I genehmigungsbedürftig.

 

Die Untervollmacht

 

Voraussetzungen einer Untervollmacht:

 

1.        Der Unterbevollmächtigte die WE im Namen des GH abgegeben hat

2.        Der Hauptvertreter dem Unterbevollmächtigten Untervollmacht erteilt hat

3.        Der Hauptbevollmächtigte berechtigt war, Untervollmacht zu erteilen.

 

 

Die fehlende Untervollmacht

 

Ist zwar die dem Hauptvertreter vom GH erteilte Vollmacht gültig, fehlt es aber an einer wirksamen Bevollmächtigung von dem HV an den Untervertreter, so handelt der Untervertreter als Vertreter ohne Vertretungsmacht und haftet nach § 179.

 

Die fehlende Hauptvollmacht

 

Fraglich ist, welche Rechtsfolgen sich ergeben, wenn die Unwirksamkeit der Untervollmacht nur auf der mangelnden Hauptvollmacht beruht.

 

Fall: V arbeit für die G-GmbH, mit seinen Beifahrer U. Nach einen Unfall, erteilt V dem U den Auftrag, beim Autohaus D im Namen des G einen Ersatzwagen anzumieten. U mietet einen BMW und gibt zu erkennen, dass er als Untervertreter des V für G handele. Später stellt sich heraus, dass V keine Vertretungsmacht hatte, Autos zu mieten.

Welche Ansprüche hat D (Autohaus) gegen U (Untervertreter) ?

 

a)        D gegen U aus § 535, 2 (-), da U im Namen des G gehandelt hat.

b)       Anspruch aus §§ 179 I, 535, 1?

(1)    Voraussetzungen des § 179

1.        U hat in Namen des G gehandelt, also als Vertreter aufgetreten.

2.        Vertretungsmacht des U für G zu handeln? V könnte U konkludent durch die Auftragserteilung zum Abschluss eines Mietvertrages bevollmächtigt haben. V müsste dazu Vertretungsmacht zur Unterbevollmächtigung gehabt haben. Er hatte aber keine entsprechende Vollmacht von G erteilt bekommen, so dass er nicht zur Unterbevollmächtigung befugt war. U hat als Vertreter ohne Vertretungsmacht gehandelt (+)

(2)    Die Rechtsfolgen des § 179

1.        Gem. § 179 besteht wahlweise ein Erfüllungs- oder Schadenersatzanspruch. Wenn der Vertreter den Mangel der Vertretungsmacht nicht gekannt hat, kommt nur § 179 II in Betracht. U hat den Mangel nicht gekannt. U haftet somit allenfalls nach § 179 II.

2.        Gegen eine Haftung des U spricht, dass U danach für Mängel eintreten müsste, die im Verhältnis GH – Hauptbevollmächtigten ihren Grund haben.

 

a)        Die Rspr. unterscheidet in diesen Fällen danach, ob die Untervertretung offengelegt worden ist oder nicht. Bei verdeckter mehrstufiger Vertretung trete der Untervertreter wie ein vom GH selbst Bevollmächtigter auf, so dass er uneingeschränkt haftet.

Lege dagegen der Vertreter die Untervertretung offen, so nehme er nur das Vertrauen in die ihm selbst erteilte Vollmacht in Anspruch, nicht aber das in die Hauptvollmacht. In diesen Falle haftet der Hauptvertreter.

 

b)       Demgegenüber wird in der Lit. eine Haftung des Untervertreters auch bei Offenlegung bejaht. § 179 regele die Haftung des Vertreters ohne Vertretungsmacht ohne jede Einschränkung. Schutzwürdig ist der Vertragspartner, der auf die Angaben des Vertreters vertraue.

 

Stellungnahme:

Der Rspr. durfte zu folgen sein: Bei Abwägung der Schutzwürdigkeit der Beteiligten erscheint U nicht weniger schutzwürdig als D. U vertraute seinerseits auf V.

 

Ergebnis: In casu muss sich D an V halten. U haftet nicht nach § 179 II:

 

Alexander Rathenau im Dezember 2001