Der Aufbau wird in der Klausur meistens nicht beherrscht

 

Prüfung des Art. 3 III EGBGB

„Einzelstatut vor Gesamtstatut“

 

 

z. B.: Erblasser E ist portugiesischer Staatsangehöriger. Hinsichtlich des Grundstückes in Frankreich könnte französisches Recht bzgl. der Erbfolge zur Anwendung kommen. Art. 3 II franz. CC: „Grundstücke unterliegen zwingend der lex rei sitae“.

 

1) Qualifikation

Es handelt sich im vorliegenden Fall um eine erbrechtliche Entscheidung.

 

2) Vorrangige Rechtsquellen, Art. 3 II EGBGB

Keine vorhanden; somit ist primär Art. 25 I EGBGB heranzuziehen. Danach unterliegt die gesamte Rechtsnachfolge einheitlich dem portugiesischen Recht (Gesamtverweisung, Art. 4 I 1 EGBGB). Portugiesisches Recht nimmt die Verweisung an, vgl. Artikel 62 und 31 I CC.

 

3) Einzelstatut vor Gesamtstatut

Jedoch könnte Art. 3 III EGBGB hinsichtlich des in Frankreich belegenen Grundstücks einschlägig sein. Danach hat das Einzelstatut in bestimmten Fällen Vorrang vor dem Gesamtstatut.

 

Voraussetzungen des Art. 3 III EGBGB

 

(1) Zunächst müsste es sich hier um eine Verweisung auf das portugiesische Recht handeln, die von den Verweisungen des dritten und vierten Abschnitts des EGBGB herrührt. Es handelt sich dabei um den Abschnitt Familienrecht (Artt. 13 bis 24 EGBGB) und Erbrecht (Artt. 25, 26 EGBGB). Diese Voraussetzung ist hier gegeben, da eine erbrechtliche Verweisung nach Art. 25 I EGBGB vorliegt (vierter Abschnitt).

 

(2) Erfasst werden nur „Gegenstände“ die sich in einem anderen Staat befinden, als derjenige, der für das Gesamtstatut maßgeblich ist. Das Grundstück befindet sich in Frankreich, während das Gesamtstatut portugiesisches Recht ist. Somit ist auch diese Voraussetzung gegeben. „Gegenstände“ können insbesondere Grundstücke, aber auch sonstige Vermögenswerte wie bewegliche Sachen, Forderungen oder Gesellschaftsanteile sein.

 

(3) Schließlich müsste die Beerbung des Grundstücks „besonderen Vorschriften“ nach dem Belegenheitsort unterliegen.

 

Der Begriff „besondere Vorschriften“ und dessen Voraussetzungen werden vom deutschen Recht vorgegeben; ob eine ausländische Norm diese Voraussetzungen erfüllt, muss aus Sicht der Rechtsordnung beurteilt werden, der diese Norm angehört.

 

a) Unstreitig können Sachnormen besondere Vorschriften i. S. v. Art. 3 III EGBGB darstellen. Z. B.: sehen in Frankreich die §§ 832 ff. CC ein Übernahmerecht des überlebenden Ehegatten vor, wenn zum Nachlass ein Landwirtschaftlicher Betrieb gehört. Solche Sonderregeln fallen nach h. A. bereits unter Art. 3 III EGBGB, wenn sie internrechtlich zwingend sind.

 

Im vorliegenden Fall handelt es sich bei Art. 3 II CC aber um eine Kollisionsnorm. Fraglich ist, ob auch Kollisionsnormen besondere Vorschriften i. S. v. Art. 3 III EGBGB darstellen können.

 

b) Nach einer m. M. im deutschen Schrifttum wird angezweifelt, ob auch Kollisionsnorm hierunter fallen. Danach sollen nur materiellrechtliche Regelungen, welche rechtliches Sondervermögen begründen, erfasst sein. Anders dagegen der BGH und  h. L.: Dem Wortlaut des Art. 3 III EGBGB ist keine Einschränkung auf Sachnormen zu entnehmen. Soweit das Recht des Lagerorts Gegenstande zwingend der lex rei sitae unterwirft, geschieht dies häufig aus ähnlichen wirtschafts- bzw. gesellschaftspolitischen Überlegungen, wie sie auch zur Bildung von rechtlichem Sondervermögen führen.

 

Im vorliegenden Fall unterfällt demnach Art. 3 II CC unter den „besonderen Vorschriften“. Es handelt sich um eine internrechtlich zwingende Norm des französischen Rechts.

 

(4) Nach der h. M. bestimmt Art. 3 III EGBGB nicht welches Recht nun bzgl. der Beerbung des Grundstücks Anwendung findet. Man ist sich aber darüber einig, dass die lex rei sitae anzuwenden ist. Mithin unterliegt die Beerbung des in Frankreich liegenden Grundstücks dem französischen Recht.

 

Ein Renvoi durch den Belegenheitsstaat kommt nicht in Betracht. Er würde auch dem Sinn der Verweisung widersprechen, Art. 3 I 1 a. E. EGBGB.

 

Ergebnis: Bzgl. der Beerbung des Grundstücks findet nicht portugiesisches, sondern französisches Recht zur Abwendung. Das Gesamtstatut muss dem Einzelstatut weichen.

 

Die Rechtsfolge führt also zur einer Spaltung des Vermögens des Erblassers, der Ehegatten oder des Kindes.

 

 

 

Von Rechtsreferendar Alexander Rathenau, 2003, Verwendete Lehrbücher: BvH; Junker und Kropholler