Typisches Klausurproblem: Gesamtverweisung (Art. 4 I 1 EGBGB)

Große Fehlerquote in Klausuren!

 

Von Rechtsreferendar Alexander Rathenau

 

 

Problematisch ist die Behandlung der Weiterverweisung, sofern das ausländische IPR ebenfalls vom Grundsatz der Gesamtverweisung ausgeht.

 

1) Der Dritte Staat nimmt die Verweisung an

 

Deutschland (Staat 1) GV        Staat 2              GV        Staat 3 (nimmt Verweisung an)

 

Nimmt das Recht des dritten Staates die Verweisung an, so wird diesem Wunsch nach allgemeiner Meinung Folge geleistet, da internationaler Entscheidungseinklang zwischen allen Beteiligten Staaten erzielt wird.

 

z. B.: Das durch Art. 25 I EGBGB (D = Staat 1) berufene belgische Heimatrecht des Erblassers (Staat 2) verweist hinsichtlich des Nachlassgrundstücks auf das französische Belegenheitsrecht; das französische Recht nimmt die Verweisung an.

 

2) Der dritte Staat spricht einen Renvoi (Rück- oder Weiterverweisung) aus:

 

Deutschland (Staat 1) GV        Staat 2              Renvoi/GV        Staat 3: Nimmt die Verweisung nicht an, sondern verweist zurück oder verweist auf einen anderen Staat 4 (Renvoi).

 

a) Verweist der 3. Staat auf deutsches Recht zurück (Dreiecksbeziehung) = nach allg. Ansicht akzeptieren wird dies und wenden Art. 4 I 2 EGBGB an – die Verweisung wird abgebrochen. Deutsches Sachrecht ist anzuwenden.

 

b) Umstritten ist die Behandlung der Weiterverweisung, wenn der dritte Staat einen aus seiner Sicht beachtlichen Renvoi auf eine fremde Rechtsordnung ausspricht.

 

Es existieren 3 Meinungen:

 

(1) Berücksichtigung nur der ersten Weiterverweisung an Staat 3

Nach einer Ansicht soll nur die erste Weiterverweisung beachtet werden. Im Ergebnis wird diese als Sachnormverweisung behandelt. Danach würde das Sachrecht des 3. Staates Anwendung finden.

 

Begründung:

Die Berücksichtigung mehrerer Renvoi verschiedener Staaten sei ein zu hoher Preis für die Hoffnung auf internationalen Entscheidungsgleichheit.

Der Renvoi durch einen dritten Staat sei weder im EGBGB noch in den meisten Rechtsordnungen ausdrücklich geregelt.

 

Gegenargumente:

Diese Auffassung missachtet die Möglichkeit zur Erzielung von internationalen Entscheidungseinklang zumindest zwischen einigen Staaten. Nach dieser Ansicht wird Entscheidungseinklang zwischen keinem der betroffenen Staaten erreicht.

 

(2) Abbruch bei der zum 2. Mal berufenen Rechtsordnung

Nach einer Ansicht soll die Verweisungskette stets bei der Rechtsordnung abgebrochen werden, die als erste zum 2. Mal in der Verweisung auftaucht. Diese Ansicht vermag zwar Praktikabilitätsinteressen entsprechen, jedoch lässt die Bestimmungen des zum 2. Mal berufenen Staates unberücksichtigt. Für einen solchen abrupten Abbruch ist kein gewichtiger Grund ersichtlich.

 

 

(3) Berücksichtigung auch des Renvoi des 3. Staates

Vielmehr ist mit der h. M. auch der Renvoi des 3. Staates zu beachten, soweit dieser nach dem IPR des erstmals weiterverweisenden Staates (Staat 2) beachtlich ist.

 

Diese Auffassung schafft internationalen Entscheidungseinklang zwischen den betroffenen Staaten.

 

Zudem lässt sich diese Auffassung auf die Gesetzgebungsmaterialien zu Art. 4 I EGBGB stützten, wonach mit dem vom dt. Recht berufenen IPR grundsätzlich auch dessen Regeln zur Rück – und Weiterverweisung anzuwenden sind.

 

Diese Auffassung folgt auch dem Anwendungsbefehl des Art. 4 I 1 EGBGB.

 

A. R. 2003 (Literatur: BvH IPR und Junker IPR)